12.02.2020 – Kleine Fluchten oder: Von den Sarotti-Höfen bis weit hinter Neuseeland.


Advent ohne Kalender ist wie Sarotti ohne Mohr. Dieser eher sinnfreie Spruch ging mir neulich beim Öffnen des morgendlichen Kästchens durch den Kopf. In Seuchen-Zeiten bleibt eben auch Zeit für sowas. Realiter wurde der Mohr durch den Sarotti-Magier ersetzt. An den Sarotti-Höfen kam ich auf dem Weg von meiner Kreuzberger Homebase zum zweiten Frühstück in der Marheineke Markthalle vorbei. Muss ein anderes Leben gewesen sein. Die Konturen der Erinnerung verwischen sich in diesen Zeiten schneller als ohnehin, als ob ein Filter über die Erinnerungsblende gelegt ist. Es ist schwieriger geworden, kleine Fluchten im Kopf herzustellen.
Was unter anderem zur Folge hat, dass die Sehnsucht nach einem früheren Leben stärker wird. Beim Anblick der Sarotti-Höfe wünschte ich mich auf eine Insel im Süden, nein, nicht voller Mohren, sondern voller Sand, Sonne und Meer, wo man nicht dauernd von Nachrichten verfolgt wird über neueste Infektionsrekorde. Fromme Lüge, Inseln ohne Handy Empfang kenne ich zumindest nicht und so rollt man sich doch in regelmäßigen Abständen auch am Strand aus der Matte und checkt sein Smartphone und sei es, um den Wanderweg für den nächsten Tag zu checken. Und wenn man schon mal dabei ist, liegt der Blick auf Spiegel-online nahe und die nächste Whatsapp will auch beantwortet werden … komm ich mit klar, das Letzte, was ich sein möchte, wäre ein romantischer Zivilisationsflüchtling auf eine einsame Insel, ohne Strandbar, gekühltes Bier und Arztpraxis in der Nähe.
Der aktuelle Blick auf Spiegel online bestätigt meine seit Monaten gepflegte Haltung als militanter Befürworter eines sofortigen wochenlangen brutalstmöglichen Lockdowns. In mehreren Städten sind heute Quernazi-Demos mit zehntausenden TN geplant. Gegen Viren helfen Abstand, Masken, Impfstoffe. Was hilft gegen solche Leute? Deren Verhalten nehme ich persönlich, weil es mein individuelles Infektionsrisiko erhöht. Sie sind Gefährder und da plädiere ich für eine nachhaltige Gefährder-Erstansprache. In Form von Gummigeschossen. Wenig tröstlich ist die Tatsache, dass einer der Quernazi-Verantwortlichen unlängst wegen Corona auf der Intensiv intubiert werden musste. Wenn der verreckt, werden ihm seine darwinistisch aufgestellten Kumpane nachrufen: Schwacher Mann, musste aussortiert werden.
Und von dem Gesindel hat niemand den Anstand, sich nach überlebter Intensivstation hinzustellen, zu entschuldigen und vor dem Virus zu warnen. Das Komische an diesen Nazis ist, dass sie ein reales Virus verleugnen, in ihren Ideologien aber die Virusmetaphorik eine zentrale Rolle spielt: Heimtückische fremdländischen Viren – von MultiKulti, Genderwahn etc. – verseuchen den doitschen Volkskörper. Diese Metaphorik halten sie natürlich etwas flach im Moment, aber gucken Sie mal bei den Original-Nazis nach, liebe Leserinnen.
Was mir sogar die kleinen Fluchten vermieste, war die Rechnung, wie lang der Schlange derjenigen ist, die – zu Recht – vor mir geimpft werden, bei Corona-Abstand von 1,5 Metern:
Sie reicht von den Sarotti-Höfen bis weit hinter Neuseeland.
Oh Göttin, lass Frühling werden oder einen 10 km großen Meteoriten dem Ganzen hier ein Ende bereiten

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