06.03.2021 – Ein freies Land.


Wenn Wolfgang Richter so malt, kriegt er Millionen (für ein Bild bis zu 41 Mio. Euro). Bei mir landen solche Produkte – Foto einer Polaroid 635 – missratener Kunstproduktion in der Mülltonne.

Original Polaroid 635 aus dem vorigen Jahrtausend. Makellos schön und zeitlos.
Versteh einer die Kunst, siehe oben, und den Markt sowieso nicht. Versteh einer die alten, weißen Männer? Das ist schon einfacher. Die schickten neulich im Streit um Identitätspolitik und Gendersprache, also um ihren Machterhalt, ihr letztes Aufgebot in die Schlacht, Wolfgang „Ossibär“ Thierse. Sprach-Volkssturmmann Thierse jaulte ob des vermeintlich zunehmenden Machtverlustes weißer alter Mann tief getroffen auf, er lasse sich seine Sprache nicht vorschreiben, er insistiere auf Diskurs mit Augenhöhe etc. pp., kurz, er gerierte sich als Opfer einer Identitätspolizei, die ihn vermutlich demnächst ins Sprachlager deportieren würde. Fast das gesamte Männerbürgerfeuilleton sprang dem wackeren Streiter beiseite, ein sicheres Zeichen dafür, dass hier Blödsinn der gehobenen Kategorie verzapft wird.
Irgendwie hat es das Gendersternchen * wohl in den Duden geschafft, damit ist auch die letzte „Argumentations“bastion der weißen Alten gegen diese Neuentwicklung der Sprache gefallen: „Für mich gilt der Duden“. Mir ist der Duden egal, ich lass mir nicht vom Duden vorschreiben, wo die Sprache lang geht, ich sage der Sprache an, wo’s lang geht. Der Duden ist was für Loser.
Vorher hatten weiße Alte Quark auf der Palette wie „Ich lass mir meine Sprachästhetik nicht verderben“. Jeder Dialektik-Klippschüler weiß, dass Ästhetik ein normatives Funktionssystem bildet, das gesellschaftlichen Wandlungen von Herrschaft und Macht unterliegt. Was wir früher schön fanden, röhrende Hirsche und Nazibauten, ist heute obsolet. Kommt Morgen vielleicht wieder, weiß keiner. So auch Sprache.
Sie bildet Herrschaft und Macht ab und transportiert sie fort. So natürlich auch im Geschlechterverhältnis. Das ändert sich jetzt. Nicht, dass sich dadurch etwas ändern würde. Es gibt nichts Besseres als Klassenverhältnisse durch Identitätsdiskussionen zu verschleiern und zu erhalten. Aber ein guter Schritt wird gemacht, auch wenn die Mehrheit dagegen ist. Die Mehrheit ist vermutlich auch für die Todesstrafe.
Ossibär war, tief im Westen angekommen, schon immer von Veränderungen im Leben überfordert. So wetterte er einst gegen den Einfall der Hunnen im Abendland, respektive den Zuzug der Schwaben im Prenzlauer Berg, was für ihn aufs Gleiche rauskam.
Und ich dachte, das Thema Gendersprache wäre nun endlich durch, nachdem die sogar in der Industrie – bei Audi – angekommen ist. Tröstlich, dass heute auch niemand mehr über die Gurtpflicht im Auto und das Rauchverbot in Restaurants redet. Irgendwann hat’s auch der letzte Trottel kapiert.
Bis dahin hindert niemand den Ossibär daran, ebenso konsequent nur noch die weibliche Form zu verwenden wie in den letzten Jahrhunderten die männliche angewandt wurde. Ist ein freies Land.
Leider.

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