07.03.2021 – Kunst ist der Wein des Lebens.


Der arme Poet. Von Carl Spitzmaus. Duckomenta, Niedersächsisches Landesmuseum.
Kultur pflastert meinen Weg. Als Konsument in Ausstellungen, Konzerten, Theater, bei Kulturevents, aber auch als Produzent: als Künstler, Kabarettist, Kulturmanager, Autor, Produzent von Theaterstücken, Herausgeber von Zeitungen, Kurator, Vernissagen-Redner und bei der Aufzählung hab ich wahrscheinlich die Hälfte noch vergessen, z. B. Unwesentliches wie Blogschreiber ohne Lohn. Man sollte also meinen, dass ich in der Seuche leide wie Hund, weil fast alles davon seit einem Jahr komplett entfällt. Und wenn ja über eines Einigkeit herrscht, dann darüber: Kultur ist systemrelevant. Oder wie Dostojewski es sagt: “Kunst ist für die Menschen genauso ein Bedürfnis wie Essen und Trinken”. Ist also ein Grundbedürfnis.
Ich halte das mit der Systemrelevanz für eine Wunschvorstellung von Kulturproduzentinnen und des Feuilletons und für eine Wahnprojektion des gehobenen Bürgertums, das beim Gang durch die Uffizien vor lauter Kunst-Ergriffenheit in hyperventilierende Delirien verfällt.
Kunst ist nicht systemrelevant.
Insofern ist die Vernachlässigung des Kultursektors durch die Politik und die Entlohnung der Kulturschaffenden in unserer Gesellschaft nichts weiter als eine reale Widerspiegelung des Stellenwertes von Kultur. Bildende Künstler*innen z. B. haben ein durchschnittliches Einkommen p. a., das der Armutsgrenze entspricht, und die Meisten schaffen es noch nicht einmal in die Statistikrelevante Künstlersozialversicherung, weil sie ein Einkommen von unter 3.900 € p. a. haben.
Fragen Sie also für Systemrelevanz-Einschätzungen, liebe Leserinnen, nicht das Feuilleton und Ihre eigenen Klischees, fragen Sie im Zweifel immer die Märkte. Ob die Antwort ihren Wünschen entspricht, ist eine ganz andere Sache.
Sie können natürlich auch anfangen, in sich hineinzuhorchen und ihren Bedürfnissen nachzuspüren. Das ist im Fall von Hunger und Durst relativ leicht. Was ist da mit dem Verlust von Kultur: Verspüren Sie ein schmerzhaftes Sehnen? Leiden Sie etwa wie ein Hund?
Ich nicht, siehe oben. Was mir wirklich fehlt, sind z. B. Reisen, Restaurants. Nicht gerade schmerzhaft. Schmerzhaft ist Hammer auf Daumen. Aber ein leichtes Ziehen in der Brust mit angeschlossenem Seufzer, mehr so nach innen, ist da schon.
Soweit zu den wahren Maßverhältnissen in der Gesellschaft und zum groben Seuchen-Unfug „Kultur ist systemrelevant“.
Ich halte es mit Jean Paul:
„Kunst ist der Wein des Lebens.“
Aber wenn gerade mal kein Wein da ist, trinken wir halt Sekt.

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