19.03.2021 – Über Spiritualität


Anker Box, kleiner als ein Brikett. (Preisfrage: Wann hatten Sie das letzte Mal ein Brikett in der Hand?).
Religionen, zumal die katholische, seien der Hort der Spiritualität. Sagt man. Wie üblich, wenn man was sagt, ist das Blödsinn, und so gilt es, jene gegen diese in Schutz zu nehmen. Der Hort des Spirituellen ist das Individuum, keine Götzenanbetervereinigungen.
Spiritualität ist laut Wiki das subjektive Erleben einer sinnlich nicht fassbaren und rational nicht erklärbaren transzendenten Wirklichkeit. Also wohnt einer Kathedrale, einem Kloster oder einem Götzendienst, einer kultischen Handlung, einem Naturerleben, einer Musik nicht per se ein ewig-heiliger, vom Schöpfer intendierter Schauer inne, Spiritualität liegt einzig in der Wahrnehmungsfähigkeit der jeweiligen Individuen, der Konsumenten. Das Erleben von Händels Messias in einer Kathedrale ruft bei diesem spirituelles Entzücken hervor, bei jenem Langeweile.
Da wir aus mehr bestehen als aus der Anhäufung von Molekülen, Verstand und Logik (versuchen Sie nur mal, Liebe oder Leben zu definieren oder zu verstehen .. ) bedarf unsere Existenz der Spiritualität, die uns allerdings in einer säkularisierten Gesellschaft zunehmend flöten geht.
Das ruft mehreres hervor: Die bedauernswerte Flucht in Esoterik, Sekten, Irrationalismen und die Zunahme von Süchten (besser: Abhängigkeiten), ob stofflich wie Alkohol und Drogen oder nicht substanzgebundene, die deutlicher zunehmen, wie Handyabhängigkeit, Kaufsucht, Porno, Glücksspiel etc.
Solcherlei ging mir eben durch den Kopf, als ich erfolgreich mein Handy mittels Bluetooth mit der Anker-Box oben verband. Ich höre immer öfter nichtlinear Beiträge (über Spiritualität z. B.) aus der Mediathek in meiner Deutschlandfunk App und das ist mit dem reinen Handy-Lautsprecher ein Unding auf Dauer. Da ich nicht gerade technikaffin bin, löste der gelungene Installationsakt in mir ein fast spirituelles Glückserleben aus. Natürlich testete ich die Box auch mit Musik. Spontan fielen mir zwei Konzerterlebnisse ein, denen ich also nachspürte: Rare Earth, in einer angenehm mittelgroßen Konzerthalle und Händels Messias in einer Basilika (das ist nicht der Plural zu Basilikum!). Beide Stücke haben für mich auch heute noch in der Magie ihrer Reduziertheit und in Verbindung mit der Erinnerung an das Konzerterleben etwas Spirituelles. Konzerte sind, anders als Konserve-Hören Zuhause, immer Unikate, keins gleicht dem anderen in der Verbindung von kollektivem Erleben, individuellem Genuss und Atmosphäre. Anders als die Konserve hat ein Konzert das, was Walter Benjamin so trefflich beschreibt: Aura.
Sie gehört zur Spiritualität wie die Fliege zum Smoking. Egal ob Sie, liebe Leserinnen, sie erleben auf einem einsamen Ölberg mit Blick auf türkisfarbenes Meer oder in einer Kathedrale mit Meister Händel.
Die nach wie vor angeblich bestehende Notwendigkeit von Religionen aber mit dem Bedürfnis nach Spiritualität zu verteidigen, wie es aktuell in der Bürgerpresse geschieht, macht mich angesichts des katholischen Kinderfickerskandals sprachlos.
Was für einen beschränkten Begriff von Spiritualität die Bürgerschreiberlinge doch haben.

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