08.05.2021 – Bloß nicht auf der Seuchen-Zielgeraden schlappmachen


Das Firmenschild hängt als Memento Mori in meinem Garten. In dieser Weinhandlung (der Hinweis darauf ist im Laufe der Jahre verblasst) war ich im vorigen Jahrtausend längere Zeit Stammgast. Die Chefin des Hauses pries ihr Angebot in höchsten Tönen, trank aber selber keinen Schluck davon, sondern nur Fürst Bismarck und das in rauen Mengen. Ihre Lebensweisheiten waren sonder Zahl; teure Weine z. B kanzelte sie intern ab, wenn man und frau in trauter Zech-Runde beisammensaß, begleitet von mitunter durch die undichte Decke des Kelleretablissements in bereitgestellte Eimer plätschernden Regentropfen, mit der Einordnung: „Den Unterschied trinkste nich wech“. Und darauf einen Fü Bi.
Daran musste ich denken, als ich unlängst meine Erstimpfung (mit dem Rolls Royce aller Impfstoffe…) mit einem besonderen Tropfen feierte, einem der Fürsten aus dem Burgund. Der ein Mehrfaches dessen kostete, was ich für Alltagstropfen zahle. Etwas für ganz besondere, einmalige Anlässe eben.
Eine glatte Enttäuschung. Den Unterschied trinkste eben nich wech. Wie soll ich dann meinen abgeschlossenen Impfschutz feiern, und wie das Ende der Seuche? Wobei letzteres schwierig zu bestimmen sein wird. Es wird ja später im Jahr keine Regierungserklärung von Bundeskanzler FLaschet geben (und ich wette 5:1, dass es auf diese Nulllösung hinausläuft), in der er verkündet: „Liebes Volk, hiermit erkläre ich die Pandemie für beendet und die Party für eröffnet.“ Vermutlich wird uns die Seuche noch Jahre begleiten, unterwegs hoffentlich alle Impfquerulanten niederstrecken, peinigen und bekehren, und uns mit regelmäßiger Corona-Impfung im Herbst beglücken (kriege ich dann jedes Mal den Rolls Royce …?).
Nein, das Ende der Seuche muss jede*r für sich individuell bestimmen, Übergabe des Impfpasses, erste Auslandsreise, erster Indoor Restaurant-Besuch, whatsoever. Eingedenk der Burgunder-Pleite werde ich dann mit Sicherheit keinen edlen Tropfen köpfen. Ich werde dann etwas machen, was ich sonst fast nie mache: Ich drucke mir etwas aus (Auf dem Weg zum papierlosen Büro bin ich quasi auf der Zielgeraden). Und zwar meinen Blog von dem Tag an, wo ich das erste Mal den Begriff Corona verwendet habe, also vermutlich irgendwann im Februar oder März 2020. Diese komplette individuelle Dokumentation meiner Wahrnehmung dieser epochalen, und hier passt der Begriff ausnahmsweise, Zäsur „Corona-Pandemie“ werde ich dann binden und in aller Ruhe lesen. Wann und wo habe ich mich unter Seuchenbedingungen wie verändert, wie hat sich meine Wahrnehmung, wie hat sich die Welt geändert?
Das Ganze natürlich begleitet von einem edlen Tropfen.
Jetzt habe ich nur eine Sorge: Bloß nicht auf der Seuchen-Zielgeraden schlappmachen. Nicht auf den letzten Metern noch die Seuche einfangen. Vor der ich immer Respekt, aber nie Angst hatte. Hab sie ernst genommen, mich seriös informiert, die Regeln eingehalten, hier im Blog dafür geworben und ansonsten war ich dankbar für meine doch ziemlich privilegierte Existenz unter Seuchen-Bedingungen.
Aber jetzt, auf der Zielgeraden, werde ich doch etwas hibbelig, gurgele z. B. noch öfter als früher nach Draußen-Aufenthalten mit Dequonal. Natürlich ist eine Infektion für mich mittlerweile noch unwahrscheinlicher als früher, aber mit der Wahrscheinlichkeit ist das so eine Sache. Es soll ja auch Leute geben, die vom Blitz erschlagen werden. Oder die im Lotto Vermögen gewinnen.
Sonniges Wochenende, liebe Leserinnen, und halten auch Sie auf der Zielgeraden durch.

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