31.07.2021 – Zenit überschritten


Wenn im Garten die Kürbisse reifen und auf den Feldern die Weizenernte eingebracht ist, hat das Jahr seinen Zenit überschritten.
Ich glotz Olympia. Die gleichförmigen Bildwelten erinnern mich an Busreisen von der Algarve nach Lissabon durch das Alentejo. Die gleichförmigen, flachen Landschaften mit Korkeichen, Orangenbäumen und dazwischen gewürfelten Rinderherden hatten beim stundenlangen Draufgucken etwas ungemein Beruhigendes, ja Sedierendes. Alle Unruhe wurde mählich ausgeschaltet, irgendwann auch der Strom der irrlichternden Gedanken und am Ende transzendierte ich in eine andere Bewusstseinsebene, irgendwo anders hin, nur nicht ins Hier und Jetzt, einer Zen-meditation gleich.
Sowas sollte es auf Krankenschein geben, man sollte nur drauf achten, dass die Gedanken irgendwann wieder eingeschaltet werden und die Herzfrequenz nicht dauerhaft auf Null sinkt. Aber Olympia erzählt auch schöne Geschichten, was ja die Essenz des Lebens ist. Ein gelebtes Leben ist die Summe unserer Geschichten. Die Ostgoten hatten wieder einen Ejaculatio praecox und flogen im Fußball raus, bevor es richtig los ging, unter erbärmlichen Umständen. Sie kriegten keine 11 Kicker zusammen, die eine Lederkugel geradeaus treten konnten, weil die Profis und Vereine zu Recht auf den komplett jeder Realität entkernten olympischen Gedanken des „Dabei sein ist alles“ und der „Grenzen überschreitenden Völkerverständigung“ schissen und lieber Zuhause blieben. Von den Schwimmer*innen ist Positives zu vermelden: Bisher ist noch niemand ertrunken.
Wie überhaupt die Mehrzahl der Athlet*innen den Eindruck einer nahezu kollektiven Leistungsverweigerung macht und das zu praktizieren scheint, was aktuell Personaler aller Branchen bei Neueinstellungen so hassen wie die Pest: Dass die Kandidat*innen samt und sonders den Eindruck machen, ihr Mantra und oberste Maxime sei „Work-Life-Balance“. Ich bin der Letzte, der was gegen Leistungsverweigerung hat. Wenn jemand das Mini-Max Prinzip zur Vollendung gebracht hat, dann ich, nämlich mit einem Minimum an Leistung ein Maximum an Effekt zu erzielen, jedenfalls in Jobs des profitorientierten Kapitalsektors.
Ich bin allerdings schon der Meinung, dass man seinen Geldgebern zumindest ein Minimum an Äquivalenz zu Gute kommen lassen sollte, und da habe ich bei „unseren“ Athlet*innen so meine Zweifel. Allein im Bundeshaushalt sind für den Spitzensport 300 Millionen Euro eingestellt, dazu kommen geldwerte Leistungen auf kommunaler und Landesebene sowie die Tatsache, dass eine beträchtliche Anzahl der Spitzensportler*innen beim Staat angestellt ist, Bundeswehr etc, und dort Fulltime-Sport praktiziert.
Stand heute wäre rein rechnerisch jede Medaille mit 18 Millionen Euro allein aus dem Bundeshaushalt gefördert. Mögen es am Ende unter 10 Millionen sein, stellt sich doch die Frage: Wie viele Kindertagesstätten könnte man und frau dafür bauen? Und hat unsere Gesellschaft ihren Zenit überschritten? Abgesehen davon, dass der ganze Firlefanz nur der eitlen Selbstbespiegelung nationalen Größenwahns dient. Wobei hier im Falle BRD von Größe dankenswerterweise nicht die Rede sein kann.
Und Morgen, liebe Kinder, erzähle ich Euch die Olympia-Geschichte von einem Untoten, der als Clown-August aus der Kiste springt.
Es wird ganz gruselig.

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