26.10.2021 – Einer der größten Trunkenbolde


Der Wertgigant. Ist vom hannöverschen Rathaus, hier im Bild, nach Düsseldorf weitergewandert und wird dann wo landen? Genau. In Berlin. Dieser dekorative Schrott soll an unsre böse, böse Wegwerfkultur gemahnen. Die Skulptur dürfte beim Sonntagsspaziergang einen maximal kritischen Impuls beim vorbeiquengelnden Nachwuchs erzielen à la: „Papa, kaufst Du mir auch so einen Transformer?“ Dem Gebrauchskunstwerker HA Schult muss man zu Gute halten, dass er an dem Thema seit über 50 Jahren dran ist und sogar die documenta 1972 mit dergleichen dekorierte. Immerhin die documenta, die nach wie vor als die Bedeutendste gilt.
Der Wertgigant heißt so, weil sein Sponsor der Versicherungskonzern Wertgarantie ist, der mit dieser Schrotttour pfiffig jede Menge kostenlose PR generiert. Gegründet wurde der Konzern von einem der größten Trunkenbolde, und das will etwas heißen, die den Bundestag je bevölkerten, von Detlef Kleinert, FDP. Heutiger Vorstandsvorsitzender ist Patrick Döring, eine ehemalige hiesige FPD-Größe. Da ist Meister Schult genau bei denen gelandet, die schon immer für nachhaltiges Wirtschaften eintraten, für erneuerbare Energien und einen radikalen ökosozialen Umbau der Gesellschaft.
Schöner kann der Pardigmenwandel der Kunst von 72 (und in Teilen der Gesellschaft) bis heute, von radikaler Systemkritik hin zur affirmativen Umarmung der real existierenden, kaputtmachenden Verhältnisse, nicht illustriert werden.
Immerhin stapft der Wertgigant noch in den Erinnerungsspuren der damaligen Epoche, in der die Kunst im öffentlichen Raum zaghaft das Licht der Agoren der Republik erblickte, verbunden mit allerlei Hoffnung auf mehr Demokratie und Emanzipation. Was ereiferte sich damals Volkes Mund über moderne Kunst im öffentlichen Raum. Das Fazit des damaligen Gegeifers dürfte ungefähr sein: „Unter Adolf hätte es sowas nicht gegeben“.
Insofern ist der Wertgigant in seiner Ambivalenz ehrlicher als das Brimbamborium um die neulich erschienene Liste der wichtigsten Künstler*innen der Gegenwart.
An der Spitze seit Jahren der in den Olymp entrückte, im Vagen und Konturlosen rumpinselnde Gerhard Richter, gefolgt von notorischen Schmieranten wie Baselitz, nur unwesentlich erträglicher gemacht durch Rosemarie Trockel und Bruce Naumann.
Diese Liste ist ein Beleg dafür: Kunst, die im Saale, in Museen, Galerien stattfindet, ist nicht nur nach wie vor sondern mehr denn je reine Belustigung der höheren Stände, reaktionär in ihrer Wirkung und albern in ihrem selbstreferentiellen Aufplustern.
Hugh, ich habe gesprochen.

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