14.11.2021 – Neulich, am Bordell.


Hinweisschild auf Angebot im Nachbarhaus. Angebracht an einem Bordell.
Die Cities von Großstädten sind toter als tot, darüber täuscht auch die massenhafte Bewegung dort zwecks Konsum nicht hinweg. Das ist nicht nur Surrogat-Leben, die Flucht aus der Wirklichkeit in die Scheinwelt des Konsums, sondern die Apotheose unseres Untergangs. Wenn wir so weiter konsumieren, kann selbst ein Quartaner ausrechnen, wann unsere Zivilisation den Bach runtergeht. Nicht umsonst hat Georg Romero seinen Zombieklassiker „Dawn oft he Dead“ in einem Einkaufszentrum angesiedelt. Mich erinnern die Cities an das Gesöff, das es in meiner Kindheit Maienblüte Zuhause gab: Nescafé.
Einer der vielen Gründe, warum ich Berlin so schätze: Es hat keine City. Selbst in den einzelnen Kiezen ein Zentrum zu verorten, fällt mir schwer. Wo wäre das in Neukölln? Kreuzberg? Die Grobplanung „Wir treffen uns in Berlin irgendwo in der City“ ist sinnlos.
Demzufolge meide ich die City, wenn möglich, quere sie mit dem Veloziped, sehr selten per Pedes. Was aber, wenn es wie unlängst erfolgt, durchaus skurrile Einblicke bieten kann, siehe oben. Oder auch hier

Aufbau für Demo der Staatstheaterszene am niedersächsischen Landtag. Protest gegen die Nichtübernahme der Tariflohnerhöhungen durch das Land. Luxusprobleme, von denen Minijobberinnen, Niedriglöhner, prekäre Existenzen im Transportgewerbe, Gastronomie etc. nur träumen können. Dazu würde ich gerne auch mal was aus der Staatstheaterszene hören.
Im Hintergrund im Landtagsgebäude der Eingang zum Votum, einem neueröffneten Restaurant auf Sterneniveau. Wer dort zu zweit tafelt, bekommt eine Rechnung präsentiert in Höhe des monatlichen Hartz-IV-Regelsatzes.
Ist so eine Location im Landtagsgebäude dekadent? Sind solche Preise, die in Dreisterne-Restaurants noch deutlich höher ausfallen können, grundsätzlich dekadent? Ist es zynisch oder dekadent, angesichts des Zustandes wie geschildert (der böse, böse Konsum, die böse Spaltung der Gesellschaft, die böse Pandemie, Ökoweltuntergang nicht vergessen, Migrationsbewegungen, to be continued …) Urlaube zu planen? Mehr als je zuvor. Mit Flugzeug. Wer will schon nach Korfu rudern.
Zu welchen Schlüssen, Sie jetzt, liebe Leserinnen, ich, wir, auch kommen, eins ist sicher: So öde und trostlos Cities auch sein mögen, flaniert man offenen Auges und per Camera durch sie hindurch, sind sie allemal für Anregungen zum Denken und mögliche Veränderungen der eigenen Perspektiven gut. Aber oft muss ich das nicht haben. Im Normalfall ist eine Urlaubsplanung am PC amüsanter. Aber bedenken Sie eins, liebe Leserinnen: Wenn Sie „urlaubsreif“ sind, ist es zu spät für Urlaube. Wenn Ihr Leben erst soweit gediehen ist, bringen Urlaube auch Nichts mehr, höchstens für die ersten drei, vier Tage nach Heimkehr. Danach sind Sie gleich wieder „urlaubsreif“.
Und nun die Lottozahlen von heute: 5,02 Mio. Infizierte insgesamt, 445.900 aktiv infizierte, 7-Tage Inzidenz gegenüber der Vorwoche um 57,6 Prozent gestiegen, 96.672 gestorben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert