02.12.2021 – Scherben bringen Glück?


Die „Scherben“, aber ohne Rio Reiser. Scherben bringen Glück? Hoffen wir’s mal. Bei aller Freude darüber, dass sich das UJZ Korn 50 Jahre relativ unabhängig gehalten hat, halte ich ein Konzert selbst unter 2 G plus in der jetzigen Situation für asozial. Auch wenn an 90 Prozent aller Infektionen Ungeimpfte beteiligt sind, gibt es natürlich auch Infektionen von Geimpft zu Geimpft und einige der von revolutionärer Nostalgie getriebenen („Weißt du noch damals, wie die Bullen die Arndt geräumt haben, die Wasserwerfer und die Schäferhunde …“ ? ) Besucher*innen dürften angesichts ihres Alters zur Risikogruppe gehören. Heute, nach 50 Jahren, wird die „Korn“ von Staatsknete gefördert, ihre Unabhängigkeit ist auf Grund einer seit vielen Jahren rotgrün geprägten, relativ liberalen Stadtgesellschaft weitgehend gewährleistet und Mitveranstalter ist der gewerkschaftliche Bildungsträger „Arbeit & Leben“. Bei dem in meiner Alterskohorte fast alle Lehramtskandidaten mal gearbeitet haben, wegen Lehrerinnenschwemme. Auch ich hatte das zweifelhafte Vergnügen und würde, hätte ich was zu sagen, diesen Augiasstall mit eisernem Besen auskehren. Ich hab aber nix zu sagen und das ist auch gut so.
Natürlich ist so eine Veranstaltung vom Ansatz her eine feine Sache, geht es hier doch um das Prinzip „Hausbesetzungen“, ein illegales, aber legitimes Mittel zur Bekämpfung von Wohnungsnot. Hausbesetzungen rufen sofort den geballten Einsatz aller Mittel von Staat und Gesellschaft hervor: Die Medien geifern, der Bürgermob ruft nach Lynch und der Repressionsapparat, vulgo „die Bullen“, geht mit maximaler Brutalität zur Räumungssache. Es geht hier um das Allerheiligste, die Monstranz des Kapitalismus: Das EIGENTUM. In Sachsen (Mauer wieder hoch, drei Meter drauf und Schießbefehl nach Osten) bedrohen tausende von Impfverweigernazis seit Tagen auf illegalen Demos das Leben der Anderen und die Polizei steht daneben und streut Blumen. Wenn da drüben in der Ostzone Linke ein Haus besetzen würden, würden Hundertschaften berittener Polizei eine Knüppelorgie anrichten, es flösse Blut, innerhalb von Stunden. Soviel zu den Maßverhältnissen unserer Gesellschaft.
Wer da damals vor 50 Jahren dabei war bei Hausbesetzungen etc., hat jenseits aller rührseligen Nostalgie tatsächlich was von Relevanz erlebt und zu erzählen, jenseits der öden Saufkneipen-Aufreißen-Tramp-Geschichten. Und wenn das damals Erlebte dazu beiträgt, neue Formen lebendigen autonomen Widerstands und radikaler Politikformen zu finden, notwendiger denn je, ist das ne feine Sache. Ganz im Sinne der Hegelschen Dialektik des dreifachen „Aufhebens“ vom Aufbewahren, Aufheben in eine höhere Stufe und Aufheben der Widersprüche.
So wie wir es damals gelernt haben, in Politologie-Seminaren über die Klassiker.
Venceremos. No pasaran!

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