
Karneval der Kulturen Kreuzberg 2018.
Der Karneval der Kulturen in Kreuzberg ist für 2022 wieder geplant, wie üblich 4 Tage über Pfingsten. Ich bin skeptisch. Ob der stattfindet? Manchmal denke ich, dass wir in einer Zeitenwende leben und permanent, apokalyptischen Reitern gleich, Seuchen uns heimsuchen werden. Irgendwann gibt es immer die Quittung für Hemmungslosigkeit. Wer hemmungslos säuft, kriegt es an der Leber, und wer hemmungslos kapitalistisch wirtschaftet, kriegt es am Leben. Lockdown bis zum bitteren Ende, auf allen Kanälen. Die charismatische Tex-Mex-Tanzcombo Los Lobos nochmal in einer zärtlich-lauwarmen Sommernacht in der Spandauer Zitadelle? Never ever again. Auf den Straßen Kreuzbergs beim Straßen-Karneval mit mexikanischem Corona-Bier zu polnischer Bergmanns-Polka und karibischen Aus-Rasta-Klängen tanzen? Das wird dann früher gewesen sein.
Für das anbrechende Post-Anthropozän, also das Zeitalter, in dem sich der Mensch vom Globus verabschiedet, gilt: Keine Öffentlichkeit. Für Niemanden. Der Begriff Public Enemy kriegt eine neue Bedeutung: Public is the Enemy. Neue Tabu-Begriffe entstehen. So wie früher Krebs, Aids, Tod lauten sie im Post-Anthropozän Karneval, Konzert, Öffentlichkeit.
Vor dem Hintergrund derartiger Dystopien strahlen die Erinnerungen umso heller und werden innerhalb kurzer Zeit mit einer mythischen Gloriole versehen. Das „Weißt du noch, damals … ?“ kann zu einem wehmütigen Schwanengesang nicht nur für einen individuellen Lebensabschnitt werden.

2018 startete, siehe oben, der Karneval direkt vor meiner damaligen Homebase in Kreuzberg. Im Haus befand sich ein Imbiss, in Fachkreisen auch Hades genannt, Treffpunkt von Menschen, die nicht alle permanent auf der Sonnenseite des Lebens wandelten. Der Wirt, ein polyglotter Türke, Fußballtrainer und Philosoph, hatte Salate und Häppchen gemacht. Wir saßen draußen, alle waren fröhlich, in Ausnahmelaune, das Leben flutete nicht an uns vorbei, sondern mitten durch uns hindurch, der Karneval rief, lockte…

Ich saß da und prostete der Welt zu. Alles würde gut werden.
Ich kann nicht sagen, was ich dafür geben würde, wenn der Karneval 2022 stattfinden würde, aber ich glaube, es wäre eine Menge. Und vielleicht wird jetzt mein Zorn auf Impfnazis verständlicher, die dafür verantwortlich sind, dass wir schon die aktuelle Seuche nicht in den Griff kriegen.
16.12.2021 – Mexikanisches Corona-Bier zu polnischer Bergmanns-Polka und karibischen Aus-Rasta-Klängen
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