07.02.2022 – Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit


Meine ehemalige Kreuzberger Homebase Yorkstr., irgendwann vor dem Ersten Weltkrieg.
Neulich stand ich vor meiner Socken-Schublade und dachte: „Schon wieder leer!? Das kann doch nicht sein, ich hab die doch gestern erst frisch gefüllt“. Kurz danach, ich wollte die Biotonne rausstellen, Leerrhythmus im Winter alle zwei Wochen, das Gleiche: „Schon wieder raus? Das kann doch nicht sein. Ich hab die doch gestern erst rausgestellt.“ Die Zeit gerät in einer ereignisreduzierten Seuchenepoche, und zumindest vom Beginn einer Epoche, also einer längeren zeitgeschichtlich relevanten Periode, können wir durchaus reden, die Zeit also gerät in eine Art Kompression. Sie wird durch eine Düse von Ereignislosigkeit gepresst und lässt dergestalt alltägliche Banalitäten, die sonst im Strom des Lebens belanglos untergehen, als bemerkenswert erscheinen, erinnerungswürdig. Ein, bei allem Respekt vor meinen Socken und meiner Biotonne, tendenziell unwürdiger Zustand, besteht doch ein gelebtes Leben aus durchaus anderen Ingredienzien als dem täglichen Einerlei-Trott zwischen Arbeit, Sofa, TV, in der intellektuellen Variante Buch, Flasch Bier, Sockenschublade und Biotonne.
Daher kann ich die Schlagzeile der Blöd von heute, und viele andere diesbezügl. Stoßseufzer, ausnahmsweise verstehen: „Gebt uns unser normales Leben zurück!“ Wer wäre in Krisenzeiten nicht schon mit diesem Gedanken aufgewacht.
Der Blöd Gedanke, soweit das Zentralorgan von Blödheit und Infamie zu so etwas fähig ist, dahinter: Lockerungen sofort.
Das ist, und da bin ich wie fast immer bei den Experten, verrückt, Zitat: „Zum jetzigen Zeitpunkt ist Lauterbach strikt gegen Lockerungen: Er halte es „für verrückt“, wenn bei Höchstzahlen von Infizierten und einer funktionierenden Strategie die Maßnahmen gelockert würden. Der Minister fragte: „Was wäre in Deutschland, wenn wir vorgehen würden wie in England?“ Seine Antwort: „Dann hätten wir pro Tag über den Daumen gepeilt vielleicht 300 Tote. Wir haben aber deutlich weniger, nämlich 60 bis 80.“ Mit den Maßnahmen „retten wir jeden Tag Leben“, ….
Es bleibt also aus Vernunft und Erkenntnis die Einsicht in die Notwendigkeit (der Beibehaltung der bisherigen Strategie). Und genau das ist laut Engels Freiheit: „Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit“.
Was bleibt, sind kleine Fluchten in Bildwelten der Vergangenheit, siehe Yorkstr., und die Hoffnung auf baldige Besserung. Nicht bei der Blöd, sondern bei den Zuständen.
Ich muss los, die Papiertonne vor die Tür stellen. Freu mich drauf.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert