13.02.2022 – Krieg


Restaurant Chat noir Chat blanc, irgendwo in der Altstadt von Nizza. Man kann dem Koch zugucken, zwei, drei Gerichte, alles frisch, Kombination französischer und italienischer Küche, herausragende Weine, ich rieche im Schreiben wieder den satten Duft der Küche und die Mittelmeerluft beim leicht angesäuselten Raustreten, über der Erinnerung liegt ein milder Hauch von Frieden, Ruhe, eine Prise Glück. Ein paar Kilometer weiter findet jetzt das Mimosenfest in Menton statt, 12 Tonnen blühende Blumen in einem Corso. Während hier die Eisblumen blühen, ist da unten schon Frühling. Jetzt in den Flieger und in zwei Stunden da sein, am Meer, in gleißender Sonne, mit einem Crémant alle Nachrichten dieser Welt ignorieren.
Stattdessen also Krieg. Glaubt man der CIA, ab Mittwoch, da marschiert der Russe los. Putin ist ein lupenreiner Un-Demokrat, zynischer Despot und für seine Virilitätsinszenierungen mit nacktem Oberkörper, Waffen und Leoparden bräuchte es einen neuen Begriff noch jenseits von peinlich. Man muss ihn nicht mögen, an seinen Händen klebt Blut.
Aber das peinliche Unisono-Gezeter, mit dem die Bürgerpresse hierzulande auf den Satan Putin eindrischt und in einer Art Angstlust den Krieg regelrecht herbeisehnt, ohne sowas wie „Interessen“ zu berücksichtigen, kann man bei kritischer Würdigung der Interessen aller und der Vergangenheit Russlands durchaus schwerst bescheuert finden.
Blick zurück: Nach dem Fall der Mauer hat die Nato Russland für den Preis der Integration Deutschlands in die Nato in Absprachen zugesichert, die Grenzen dieses westlichen Bündnis nicht weiter nach Osten zu verschieben. Diese Zusage wurde umgehend gebrochen, ein paar Jahre später war die Nato-Osterweiterung komplett, was selbst ein Blinder mit einem Blick auf die Karte sehen kann. Der damalige Außenminister Genscher hat Jahre später öffentlich zugegeben, dass die Nato damit den Geist der Absprachen von 1990 gebrochen hat
Fast alle Beitrittskandidaten sind fest integriert, Nato-Truppen stehen seit Jahren hochgerüstet direkt an Russlands Grenze oder mitten in der ehemaligen Interessesphäre der Sowjetunion. Um die Gefühle zu verstehen, die das bei russischen Akteuren auslösen könnte, sollte man den Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion 1942 mit über 20 Millionen toten Sowjetbürger*innen im Hinterkopf haben.
Im umgekehrten Fall der Verletzung einer Interessensphäre übrigens hatte eine Intervention der Sowjetunion in Kuba 1962, dem Hinterhof der USA, fast den dritten Weltkrieg zur Folge.
Not in my backyard, nicht in meiner Interessensphäre, als Mahnung an Konkurrenten, das ist ein ehernes Gesetz von Realpolitik. Es geht immer um Interessen. Man kann anderes wünschen, es ist aber Realität. Ein deutscher Verteidigungsminister hat mal gesagt „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“.
Inwieweit die USA und die CIA glaub- und vertrauenswürdiger Akteur sind, überlasse ich Ihnen bei der Lektüre der bekannten CIA Operationen, siehe auch darunter: Kontroversen, Menschenrechtsverstöße, Drogenhandel, Geldwäsche.
Immer gerne in der Bürgerpresse wird das Selbstbestimmungsrecht der Völker zitiert. Wollen eben alle in die Nato.
Was aus dem „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ werden kann, war wunderbar im ehemaligen Jugoslawien zu beobachten, wo jede Ethnie, jedes Skipetarenvölkchen im völkischen Wahn einen eigenen Staat für sich reklamierte, mit der Folge von zehntausenden Toten, Millionen Vertriebenen und auf Generationen vergifteten Klima „da unten“, wo schon wieder der nächste Krieg vor der Tür steht.
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist eine funktionalisierbare völkische Brandfackel, die bei Bedarf in offene Konflikt-Pulverfässer geschleudert werden kann.
Ist ein bisschen länger geworden heute, aber es steht ja auch nicht jeden Mittwoch Krieg vor der Tür

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