14.03.2022 – No surrender


Ohne Moos nichts los.

Reales Moos. Pflanze ich im Garten, in Schattenecken. In Gartenmärkten gibt es ganze Regale mit Moosbekämpfungsmitteln. Wer jemals auf einer Wanderung sein ermattetes Haupt auf Moos gebettet hat, wird wissen, wie schräg das ist: Moos bekämpfen, mit Gift. Die Weichheit von Moos ist einzig, flauschig, zart und doch mit Struktur. Was ist noch weich? Haut, Kopfkissen .. spüren Sie mal dem Gefühl „weich“ nach, 30 Sekunden lang. Weich ist komischerweise nicht durchgängig gut angesehen. Wer wäre schon gerne ein Weichei. Dann viel lieber ein harter Verhandlungspartner. Hart wie Kruppstahl … wohlan, aber als Dauerzustand?
Und dann noch zäh wie Leder und flink wie Windhunde, das ist das Material, aus dem Soldaten geschnitzt sein sollen. Aktuell rollt ja die Militär-Gewalt-Phantasiemaschine auf Hochtouren. So wie früher Millionen Schiedsrichter beim Lederballgetrete vor den Bildschirmen hockten, tun das jetzt Millionen Militärexperten in imaginierten Schützengräben, den inneren Stahlhelm festgezurrt, damit kein fremder, weicher Gedanke das Hirn penetriere. Kriegerische Maskulinität. Die Kommentare der einschlägigen Presse von heute, Appelle an die Ukraine: Keine Kapitulation. No surrender. Der Gott der Rhetorik Winston Churchill postulierte angesichts der faschistischen Bedrohung kategorisch:
We shall never surrender.
Er hatte alles Recht dazu. Aber hierzulande aus der warmen Schreibstube Vätern und Mütter in der Ukraine zu predigen, ihre Söhne auf dem Altar des Vaterlandes, für die Freiheit, zu opfern, da könnt ich schon wieder kotzen. Was in wenigen Tagen an Militarisierung des Denkens, an Mobilmachung von Gewaltphantasien und Waffenfaszination durchgebrochen ist, das lässt mich überlegen, meine Zugehörigkeit zur menschlichen Rasse zu kündigen. Dann lieber Grottenolm oder Sackratte.
Es ist schon schlimm genug, den Krieg in die Gedanken lassen zu müssen und abzuwägen, wo Gewalt sein muss. Aber bei immer mehr Kommentatoren, Männern, hat man zunehmend das Gefühl, dass ihre Gewaltwichsphantasien in die Kommentarspalten tropfen. Ich ereifere mich auch deshalb so, weil kaum etwas schwieriger ist, als das Denken zu zivilisieren. Abrüstung fängt im Kopf an. Ja, Krieg ist mitunter notwendig. Aber die Maxime muss lauten: Zivilisation ist die Abwesenheit von Krieg.
No surrender? Gerne. So heißt ein Song vom Bassgott Jack Bruce, dem Dietrich Fischer-Dieskau des Rock‘n Roll. Spüren Sie einfach nur den genialen Bassläufen nach, welches Gefühl die vermitteln. Muskulös, breitbeinig, maskulin? Ja, und nix gegen Maskulinität, da wo sie hingehört, und da gehört sie hin. Aber nicht durch den Lauf einer Waffe.
Ein Konzert mit Jack Bruce, das wär’s, im Sommer open air, in der Spandauer Zitadelle. Ein Klick: Der Mann ist auch schon tot.
9.56 Uhr, eigentlich zu früh für einen Port, aber unter diesen Umständen …..

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