27.03.2022 – Über den kommenden Ökoterrorismus


Gruß aus der Sahara. Neulich auf meinem Fahrradsattel, Sand aus der Sahara. Kommt bei bestimmten Strömungsverhältnissen alle Jahre mal vor und ist ein sinnfälliges Zeichen dafür, wie die Welt miteinander verbunden ist. Für Autobesitzende war das vermutlich Lackzerstörender Dreck, für mich ein Sehnsucht erzeugender Gruß aus fernen Regionen. Nicht, dass ich in der Sahara Urlaub machen möchte. Nein, einfach nur weg, das vermittelte der Sand auf meinem Sattel. Was kein schlechter Buchtitel ist: Der Sand auf meinem Sattel. Wenn ihn jemand haben möchte, bitte bei mir melden, gegen eine geringe Schutzgebühr ist das machbar.
Darf man in heutigen Zeiten überhaupt noch fliegen? Nein. Natürlich nicht. Man darf auch nicht bei rot über die Ampel gehen und mehr als zwei Glas Sekt am Tag trinken. Wenn aber die Jugend der Welt, eines Tages vor mich hintritt, mit einem donnernden „J‘ accuse“ fragt: „Wie hast Du mir diese Welt hinterlassen?“ Was dann? Dann kriegt sie einen gewaltigen Tritt in den Arsch. Ich lass mich bestimmt nicht von irgendwelchen BWL-Pennerinnen anmeiern, die noch schlimmer als ihre Eltern kein sehnlicheres Ziel haben als verbeamtet zu werden, zu heiraten, mit 30 ein Haus, 1,5 Kinder und zwei Autos, davon 1 SUV in der Garage zu haben.
Aber es gibt doch Fridays für Future? Stimmt. Feine Menschen. Aber die sind auch noch keine 30. Immerhin moralisch etwas gewichtiger als die Millionen Berufsjugendlichen da draußen, die nichts machen, außer ihr Kreuz bei der FDP, und wenn sie ganz schwer einen an der Schizo-Waffel haben, bei den Grünen.
Für einen Moment durchzuckte mich ein Hauch von Hoffnung, als die Meldung steil ging, dass in meinem beschaulichen Heimatstädtchen die Fridays for Future-Verantwortlichen eine weiße Musikerin ausgeladen hatten bei ihrem Ringelpiez, weil die Dreadlocks trug, wegen kultureller Aneignung, was struktureller Rassismus ist. Dass die Verantwortlichen damit im Ansatz recht hatten, konnte man allein an dem Unisono-Gegeifer weißer, alter Männer gegen diese Entscheidung erkennen. Natürlich war die Ausladung dämlich, unprofessionell und kontraproduktiv. Jede hat ihr Rassismus-, Sexismus-, was auch immer-Päckchen zu tragen. Nobody is perfect.
Was mich ankotzte bei diesen Kommentaren: Diese gigantische Scheinheiligkeit, ob des Drecks den diese alten Säcke selber am Stecken haben. Als ob sie nicht selber das Privileg der Jugend genossen hätten, radikal zu sein und Fehler machen zu dürfen.
Was mich an der Absage aber erfreute, war der jakobinische Furor der Tugend, der aus ihr sprach: Rasier dir die Haare ab und du darfst mitspielen. Das ist der Geist, das Holz, aus dem zukünftige Terroristen geschnitzt sind. Ökoterroristen. Und die kommen. So sicher, wie ich dieses Jahr sechsmal in Urlaub fliege.
Und ich hoffe, wenn Ökoterror (bei der Frage der Ziele wird es wesentlich komplizierter als für die RAF damals) Platz greift, dass mich die Weisheit meines Alters schützen möge vor Formulierungen in diesem Blog wie „klammheimliche Freude“.
Ich sei aber sehr schizophren, höre ich da die Tugendwächterinnen der Bürgerlichkeit einwenden?
Wir nennen es Ambiguität. Hört sich geiler an. Oder auch Leben.
Ich muss buchen. Tschüss erstmal.

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