19.04.2022 – Das Goldene Zeitalter


Diese Plakatinstallation in meiner Berliner Hood Yorkstr. weist zu Recht darauf hin, dass Krieg ein globales Problem ist. Allein im Syrienkrieg bisher 350.000 Tote, in Afghanistan seit 2001 fast 70.000 Tote. In Kurdistan seit 1984 über 45.000 Tote, die Opferzahlen steigen weltweit in zahlreichen Konflikten seit 2010, während das Demokratiemodell westlicher Prägung auf dem Rückzug ist. Es wird in immer weniger Staaten praktiziert. Dort, wo es noch praktiziert wird, ist es zunehmend ausgehöhlt, siehe USA, Türkei, Osteuropa, etc. pp, und wird durch wachsenden Nationalchauvinismus ersetzt. Der Ukrainekrieg, der das alles zurzeit überdeckt, ist ein klassischer nationalistischer Konflikt. Natürlich gibt es einen eindeutigen Aggressor, Putin, und der Überfall ist durch nichts zu entschuldigen. Allerdings hat sich die Ukraine immer nahtlos eingereiht in die Riege jener osteuropäischer Staaten, die, gemessen am westlichen Demokratieverständnis, als gescheiterte Experimente zu betrachten sind, bezieht man sich auf die Hoffnungen von 1989 ff.
Im Index der menschlichen Entwicklung auf Platz 74, im Demokratieindex auf 86 wird die Ukraine geführt als Hybridregime. Das sind Staaten mit regelmäßigen Wahlbetrügereien, die verhindern, dass sie faire und freie Demokratien sind. Es gibt keine unabhängigen Justizbehörden, weit verbreitete Korruption, kurz: fehlerhafte Demokratien im Bereich einer unterentwickelten politischen Kultur auf niedrigem Niveau der Beteiligung an der Politik und Fragen der Funktionsweise der Regierungsführung. Natürlich rechtfertigt das keinen Überfall, aber die gehäufte Existenz von derartig verfassten, meist ultranationalistischen Staatswesen ist wachsender Konfliktsprengstoff.
Es gibt weltweit mittlerweile nur noch 20 vollständige Demokratien, Deutschland gehört dazu, mit absteigender Tendenz. Die USA nicht mehr.
Wenn „wir“, also die Nato, schwere Waffen in die Ukraine liefern, kann sich eine Situation wie in Syrien oder Afghanistan daraus entwickeln, ein schier endloser (Guerilla-)Krieg, also nicht tausende Tote, sondern Hunderttausende, oder, rechnet man die Kriegsfolge-Toten mit ein, die an Hunger oder Seuchen sterben, Millionen.
In den 70ern des vorigen Jahrhunderts kulminierte sozialer und ökonomischer Fortschritt für breite Schichten in westlichen Demokratien in bis dahin ungekanntem Ausmaß, das sogenannte „Goldene Zeitalter des Kapitalismus“. Vielleicht reden wir in einigen Jahren, in einer Krisen bedingten Rückschau, von den Jahren 1950 bis 2010 grundsätzlich vom „Goldenen Zeitalter“, in dem Kriege als Mittel der Politik auf dem Rückzug waren, globale Armut ebenso und Krisen als grundsätzlich beherrschbar galten, die eher eine Frage von Kooperation und Management als eine der grundsätzlichen Überforderung waren. Seither: Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Pandemie, Kriege, Ausweitung von Armut und Spaltung der Gesellschaft, Inflation, Demokratieverlust, alles sich gegenseitig beschleunigend. So gesehen, hab ich echt Schwein gehabt, im „Goldenen Zeitalter“ groß und alt geworden zu sein.
Das Plakat der Cooperatives for peace oben hängt übrigens an einem Neubaukomplex, mit einem schicken Hotel, einer von Frauen geführten Co-working Fläche namens „Yorck Share -Zentrum für Lebenskompetenz“ und einem LPG Biomarkt.
Merkmale und Treiber von Gentrifizierung, die auf noch vorhandene bezahlbare Mieten extremen Verdrängungsdruck ausüben.

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