15.06.2022 – Wenn Du in Rom bist, verhalte Dich verdammt nochmal wie die Römer


Schicker Kiez in Kreuzberg.
Neulich, in einer schicken Bar in diesem Kiez, jede Faser im Angebot und Style auf Höhe der Gentrifizierung. Der Laden gefiel mir, es war heiß, mich dürstete nach einem kühlen Weißwein. Ich bestellte einen Trockenen, 0,1 Liter. Die Bedienung zuckte die Schultern, sie verstand mich nicht, sprach nur Englisch. Ich war sofort auf Krawall gebürstet, hab das nicht das erste Mal in Berlin erlebt, dass Bedienungen kein Wort Deutsch sprechen. Ich verabscheue Nationalismus und Deutschtümelei wie wenig auf der Welt, aber eine derartige Respektlosigkeit gegenüber dem Gast und dem Gastland gegenüber grundsätzlich finde ich unverschämt. Ich finde es toll, wenn die Jugend der Welt und nicht nur die, fremde Länder kennenlernt, dort sogar Handel treibt. Ich hielte es für eine Katastrohe, weil Nationalismus fördernd, wenn das Reisen in fremde Länder dauerhaft durch Seuchen, Klima, Inflation, Kriege, was auch immer, eingeschränkt wäre. Der Nationalismus ist eh weltweit auf dem Vormarsch und diese Tendenz würde dadurch drastisch verschlimmert. Die Horizonte der Menschen sind jetzt schon beschränkt, dass es einen gruselt. Wenn keine mehr reist, können wir der Zivilisation gleich die Kugel geben.
Aber bitte mit Respekt vor der jeweiligen Kultur (Na ja, Taliban nicht gerade, aber das würd ich auch nicht Kultur sondern Barbarei nennen) und das beinhaltet zumindest rudimentäre Kenntnisse der Landessprache, wenn ich mich da länger als 48 Stunden aufhalte: Bitte, Danke, Guten Tag, ein Bier, und eventuell noch: Wo ist das Beschwerdebuch? Aber wenn die Jugend der Welt hier nach Jahren Aufenthalt immer noch kein Wort Deutsch spricht (alles schon erlebt), wozu dann das Ganze? Nur Sex and Drugs and Rock‘n Roll, und weil Berlin so billig ist – nein Danke.
Die Dame rief nach der Chefin, die wenigstens etwas Deutsch sprach. Ich wiederholte meinen Wunsch. Und kriegte 0,2 Liter. Ich beschwerte mich umgehend, natürlich auf Deutsch. Und mittlerweile auf 180. Wieder musste die Chefin her. „Wir haben nur 0,2. Zero point two.“ – „Dann hättet Ihr mir das bei der Bestellung sagen müssen“ – “Das haben wir nicht verstanden“.
Nun waren wir am point of no return, und ich führte in wohlgesetzten deutschen Sentenzen meine Sicht über Respekt gegenüber dem Gastland, Service und Sprache etc. pp. aus. Ihre zorngekrauste Stirn deutete an: Sie verstand, war aber dezidiert anderer Meinung. Ich endete mit dem Hinweis auf eine jahrtausendealte Übung des Respektes gegenüber dem Gastland und zitierte: Sī fuerīs Rōmae, Rōmānō vīvitō mōre. Natürlich verstand sie nicht die Bohne. Und um mein auch im idiomatischen Bereich sattelfestes Englisch unter Beweis zu stellen, übersetzte ich: When in Rome, do as the Romans do.
Wenn Du in Rom bist, verhalte Dich verdammt nochmal wie die Römer…
Ich ging. Sie wütete hinter mir her: „Ich wünsche Dir noch einen guten Tag“. Sie meinte: Den Tod.
Ich war nicht nur wegen der an den Tag gelegten Geisteshaltung so wütend. Der schicke Kiez, ein Genossenschaftsmodell, liegt direkt meiner Homebase gegenüber. Um da einziehen zu können, muss man pro qm 1000 Euro Genossenschaftsanteil zahlen und die Mieten sind trotzdem dreimal so hoch wie in unserem Haus. Das strahlt auf die Umgebung aus. Durch unser Haus marschieren jetzt schon die Investoren. Wenn das erstmal verkauft und durchrenoviert ist, kann niemand mehr die Mieten zahlen, geschweige denn die Wohnungen kaufen, Preis dann ca. 7.000/qm. Eine gut funktionierende Hausgemeinschaft, die miteinander redet, sich hilft, unten im Imbiss ein Bier miteinander trinkt, wird in Randgegenden verstreut, in Nazikieze, wo alle drei Stunden mal ein Bus fährt. Wenn sie nicht gleich auf der Straße landen. An sowas gehen Menschen zu Grunde. Und da wundert sich die Öffentlichkeit, wenn Autos brennen.
Ich kühlte meinen Zorn vor dem Imbiss, mit Bier. War das eben mal wieder zu arrogant? Ja.
Aber es war richtig.
Und es ist zu wenig.
Funk me up. Action speaks louder than words

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