18.07.2022 – Qual ins Grüne verlängert


Fitness-Fetischisten. Kreuzberger Park Gleisdreieck.
Ich brauche nur vor die Haustür zu treten und bin mitten in einer 300.000 qm großen Open-Air-Körperertüchtigungsarena, Park Gleisdreieck. Man muss dort als Normalfrequenzschreiter vorsichtig sein, um nicht von einer Armada von japsenden Joggerinnen, rasenden Radlern, sausenden Skaterinnen plattgewalzt zu werden. Das Ganze flankiert von einer Armee von schweissüberströmten Seilspringerinnen, Basketballern, Dehnungsübenden, Klimmzüglern …. man wird ganz wirr im Kopf nur vom Hinschauen.
Bestand ursprünglich bei der Planungskonzeption des einstmals größten Bahngeländes Europas die Befürchtung, dass sich bei der Parknutzung die gesellschaftliche Spaltung widerspiegeln würde: hie schicke Alternativszene, da Drogensumpf Görlitzer Park, hat sich das durch die Blockrandbebauung im Laufe der Jahre erledigt: Komplett schicke, hochpreisige Gentrifizierungsquartiere. Das spiegelt sich in der Park-Nutzung wider: keine ganzen Hammel am Migranten-Spieße wie auf dem Tempelhofer Feld. Nur junge, dynamische Hipsterinnen, die die Zumutung und Qual des kapitalistischen Joballtags in die Zumutung und Qual der Körperertüchtigung im Grünen verlängern, um sich fit zu machen, für die Zumutung und Qual usw. usf. Sisyphos und Tantalos in einem.
In einer Ecke spielen ein paar Rentnerinnen Boule. Ein seltsam entschleunigtes Moment von fast kontemplativem Ausmaß.

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