27.08.2022 – Mein Nachbar ist Til Schweiger


Linke Freiräume schaffen. Mansteinstr., Berlin. Ehemals besetzt, jetzt selbstverwaltet, also in Kooperation mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen. Zehn Bierfässer von meiner Lieblingskneipe „Leydicke“ entfernt, stand ich davor und sinnierte den linken Freiräumen hinterher, als es feucht von oben wurde. Erst regnete es, dann ergoss sich der Himmel über Berlin mit derartiger Urgewalt, dass sogar das Fest des obersten Grüßaugust der Republik abgebrochen werden musste. Was für ein Scheisswetter, fluchte ich, und musste lachen. Endlich mal Regen, an den letzten hier kann ich mich gar nicht mehr erinnern, und dann sowas. Zurück zur Homebase, im Regen vorbei an der Yorck 59

Und die ist, so unscheinbar sie aussieht, eine Ikone in der Geschichte der Hausbesetzungen in Berlin. Mit ihrer Räumung, sie wurden alle geräumt oder in Selbstverwaltung legalisiert, verschwand 2005 das letzte linksradikale Projekt dieser Art in Berlin. Seitdem ist relative Ruhe im Karton, von Einzelfällen abgesehen. Die Berliner Baumafia in der Nachfolge eines rechtskräftig verurteilten Verbrechers wie Dietrich Garski hatte gesiegt. Der Hinterhof wurde in Luxuslofts umgewandelt, jahrelang von Security abgeschirmt. In einem davon wohnt Til Schweiger und da ich nur ein paar Häuser weiter entfernt wohne (eher kein Luxusloft), kann ich mit Fug und Recht behaupten: Mein Nachbar ist Til Schweiger.
Falls Sie, liebe Leserinnen, demnächst jemanden sichten, auf dessen T-Shirt steht: Mein Nachbar ist Til Schweiger, das bin ich. Sie dürfen mich ehrfürchtig von Ferne grüßen.
Der aktuelle Stand: 12 Prozent aller Mieter*innen liegen mit den Kosten für Unterkunft bei mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens, der absoluten Höchstgrenze für Zumutbarkeit. 2021, also vor den Krisenkulminationen. In Ballungsräumen sind das bis um die 40 Prozent aller Mieter*innen.
Von einer Hausbesetzungsszene ist weit und breit nichts in Sicht. Die Fronten sind klar, der Kampf ist vorüber. Vae victis.

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