13.12.2022 – Der Hitler-Punsch

BILD

Eisgekühlt. Minus 8 Grad gestern, heute noch kälter. Sekt wird oft zu warm serviert und getrunken, die in Fachkreisen empfohlene Trinktemperatur von 6 – 8 Grad ist zu viel. Wenn das Glas nicht gekühlt ist, man Sommers im Garten sitzt und einen Moment der Perlage nachsinniert, halte ich vier Grad für angemessen. Warm wird er von alleine. Dafür herrschen auf meinem Teich als Kühler jetzt ideale Bedingungen. Irgendeinen Sinn muss diese Kälte ja für mich haben. Dass wir aus ökologischen Gründen auch mal „normal“ kalte Winter bräuchten, ist mir egal. Ich brauch die nicht und was ist schon normal. Unnormal heißt doch nichts anderes, als rechtzeitig am falschen Ort gewesen zu sein. Gilt auch für das Wetter.

Haben wir keine anderen Probleme als ideale Temperaturen für alkoholische Feuchtgetränke? Man verliert halt irgendwann die Übersicht. Andauernd kommt Neues hinzu. Wie jetzt die Verschärfung der Demokratiekrise. Oder besser: Wie die Krise auch für den Dümmsten offensichtlicher wird, von Tag zu Tag, von Putsch zu Putsch. Der „Reichsbürger-Putschversuch“ mag als direkte Aktion so lächerlich wie eine Operette sein, wie unter dem Einfluss von zu viel Punsch ausgedacht. Als Ergebnis eines Prozesses und als Vorgriff auf gesellschaftliche Perspektiven ist er an Dramatik gar nicht hoch genug einzuschätzen. Hier kulminierte die ganze Demokratieverachtung der immer mehr und radikaler werdenden Verschwörungsmythologen, Querspinner, Halb- und Vollfaschisten erstmals in einem lange geplanten, kollektiven Versuch eines terroristischen Umsturzes aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Was verharmlost und kleingeredet wird von Konservativen, die den zersetzenden Staatsfeind in den niedlichen Klebeaktivistinnen sehen.

Mögen die Polizisten, Richterinnen, Soldaten, Adligen – immerhin jetzt schon eine dreistellige Zahl – dieses Mal noch mit der Pappnase des Tweedjacken-Politclowns daherkommen, warum sollen sie nicht in 10 Jahren in Bataillonsstärke auftreten, vorneweg einer in Generalsuniform statt Tweed? Geschichte, das erste Mal als Farce, das zweite Mal als Tragödie.

Vor 99 Jahren fand der Hitler-Putsch statt. Eine dreistellige Zahl von Soldaten, u. a. General Ludendorff, Adligen, Juristen, u. a. einem Oberstlandesgerichtsrat, wollte, anfangs mit geheimer Unterstützung der konservativen bayerischen Landesregierung, die SPD-geführte Reichsregierung in Berlin wegputschen, mit einem Mussoliniähnlichen Marsch in München. An der Spitze Adolf Hitler. Den damaligen Zeitumständen mit blutigen bürgerkriegsähnlichen Unruhen angemessen, endete das blutig. Leider nicht für Hitler.

Das Ganze galt schon damals als lächerlich, dilettantisch und das Operettenhafte des Clowns Hitler hat ja Charlie Chaplin im „Großen Diktator“ deutlich gemacht.

Keine 10 Jahre später war Schluss mit Operette, Clown und lächerlich.

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