23.12.2022 – Zwei Bahnstationen hinter dem Arsch der Welt

Szenen einer Ehe? Denkmal zur Teilung Deutschlands in Duderstadt im Eichsfeld, wo nach dem Grundlagenvertrag 1972 zwischen der BRD und der DDR einer von vier zusätzlichen Grenzübergängen eingerichtet wurde. Damals war die Welt noch halbwegs in Ordnung.

Wer das in der Form vor ein paar Jahren formuliert hätte, dem wäre sofort das Etikett „ewig gestriger Beton-Kommunist“ angehängt worden. Abgesehen davon, dass Beton ein unverzichtbarer Baustoff ist, ich überhaupt nichts gegen „gestern“ einzuwenden habe und als undogmatischer Linker nur Schwierigkeiten mit „Kommunist“ hätte, geht diese Formulierung Ende 2022 für jeden halbwegs mit Verstand Gesegneten völlig ideologiefrei durch. Heute ist die Welt aus den Fugen geraten und so weit von halbwegs in Ordnung entfernt wie ich vom Nobelpreis für Literatur. Ich muss die Fugen nicht alle aufzählen, ein Blick in die Nachrichten genügt.

Alle Jahre wieder Duderstadt, die alte Heimat, wir standen in fröhlicher Runde nach intensiven Fachgesprächen auf dem Weihnachtsmarkt, ich hatte einen Lumumba in der Vorhalte, Kakao mit Rum. Das Getränk Lumumba hat seinen Namen nach dem Freiheitskämpfer Patrice Lumumba, der in den 60ern aus freien Wahlen als Ministerpräsident des Kongo hervorging. Er wurde auf Betreiben der USA, Großbritanniens und Belgiens durch die CIA mit Hilfe des MI6 aus dem Amt geputscht, gefoltert und ermordet. Das war und ist das Tagesgeschäft der CIA, westlicher und aller nennenswerter Geheimdienste und kommt im Zweifel mit ein paar Jahrzehnten Verspätung raus. Sie werden daher verstehen, liebe Leserinnen, wenn ich Hurrameldungen und Nachrichten aus westlichen Geheimdienstkreisen in Sachen Ukrainekrieg mit ähnlicher Vorsicht genieße wie todsichere Börsentipps und Horoskope. Auf gut Deutsch: Unbrauchbar und in die Tonne. Im Moment schwer en vogue ist ja der britische Geheimdienst, wird dauernd zitiert. Die CIA ist wohl und hoffentlich auf Dauer desavouiert.

Andere Teilnehmer der feuchtfröhlichen Lumumba-Runde äußerten angesichts des Denkmals die Vermutung, es handele sich um Szenen einer Ehe. Ich erwiderte, das sei kompletter Blödsinn (der dritte Lumumba begann zu wirken, wir wurden langsam laut und noch fröhlicher). Wäre das Denkmal realistische Szene einer Ehe, müsste die Laufrichtung der Frau um 180 Grad gedreht sein, also fluchtartig vom Mann weg. Das überzeugte die Anwesenden sofort, waren sie doch allesamt verheiratet.

Die Strafe für soviel Lästerei ereilte mich auf dem Heimweg. Zwei Bahnstationen noch hinter dem Arsch der Welt, wo es normalerweise schon abgrundtief depressiv aussieht,

kam auf einmal Boden-Nebel auf, der immer näher waberte. Ich bin allem metaphysischen abhold, habe aber mal den Klassiker „The Fog – Nebel des Grauens“ gesehen.

Entspannte Jahresendzeit mit einem schönen Jahresendbaum und Jahresendflügern wünsche ich Ihnen..

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