26.12.2022 – Passt wie Arsch auf Eimer

Neu entdecktes Gemälde von William Turner? Schön wär’s. Wenn es, wie das Bild insinuiert, in meinem Besitz wäre, würde ich um potentiell ca. 30 Millionen Taler reicher sein. Es ist leider nur ein Smartphone-Foto, das die Grenzen meiner Kamera aufzeigt, aber nichtsdestotrotz gerade in seiner Begrenztheit als nächtliche Milieu- und Stimmungsstudie a la Turner eines Hafens – hier des einen Steinwurf von mir entfernten Lindener Hafens – durchgeht und Bildungsbürgerinnen an Malermeister Turner erinnert. Der als Pinselrevolutionär seiner Zeit übrigens um Jahrzehnte voraus war.

Machen wir hier mal in plattem Symbolismus und nehmen das Bild als Allegorie der Zukunft: Unscharf konturiert zwar, aber deutlich düster, bedrohlich, Licht als Signal von Hoffnung ist am Horizont, aber die Dunkelheit verschlingt es, von vorne, frisst sich nach hinten durch, der Angriff der Gegenwart auf die Zukunft.

Passt doch wie Arsch auf Eimer. Nie war Krise und Ungewissheit so groß wie heuer. Logische Konsequenz: Flucht aus der Gegenwart, Eskapismus pur. Zurück in die Neunziger. Zitat aus „Comeback der Neunziger“ : „ …. „Wetten, dass ..?« ist zurück. Auch die Gameshow »Der Preis ist heiß« mit Harry Wijnvoord läuft wieder im Fernsehen . »Die 100.000 Mark Show« mit Ulla Kock am Brink. »Geh aufs Ganze!« mit Jörg Draeger und dem Zonk. »7 Tage, 7 Köpfe« und »TV total«….“

Warum gerade die Neunziger? Fazit des Artikels: »Es war eine weniger bedeutungsvolle Zeit«.

Ich würde sagen, es war die letzte Ruhe vor dem Sturm, wie wir jetzt, mitten im Sturm, wissen. Ab 2000 erhielt die Gegenwart einen Wirkungstreffer nach dem nächsten: Dotcom Blase platzt, 9/11, Lehman Krise, EU-Krise, Bankenkrise und seit ein paar Jahren Dauerkrise, kein Atemholen mehr wie zwischen den erstgenannten Krisen. Kein Wunder, dass psychische Erkrankungen und Medikamentengebrauch explodieren, die Spaltungen in der Gesellschaft immer tiefer werden, siehe Coronaschwurbler, Reichsbürger, Normalbekloppte, die Demokratie den Bach runter geht, dem Klima quasi voran. Rasende Veränderungen. Bedrohlich.

Insofern errötete ich unlängst freudig dezent, als ich eine Ex-Kollegin nach vielen Jahren wiedertraf, aus einem ehemaligen Job, die sagte: „Du hast Dich überhaupt nicht verändert.“ Man muss dazu sagen, es war dunkel und die Ex-Kollegin trug ihre Brille nicht. Wer weiß, wen sie überhaupt meinte. Aber es war ein positiver Wirkungstreffer.

Denn eigentlich geht die Geschichte von Veränderung ganz anders, nämlich als Parabel auf den notorischen Spießer, der sich sein Leben lang nicht verändert, sich allem, was neu ist, verweigert. Was nichts weiter ist als der Tod schon zu Lebzeiten. Es ist eine Geschichte von Bertolt Brecht über Herrn K.:

„Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert.“ „Oh!“ sagte Herr K. und erbleichte.“

1 thought on “26.12.2022 – Passt wie Arsch auf Eimer

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