29.12.2022 – Neues Bürgergeld? Alter Har(t)zer Käse!

Original. Das ist der Originalkäse einer Aktion zum neuen Bürgergeld, das ab 01.01.2023 in Kraft tritt. Har(t)zer Käse, verteilt vor allen Jobcentern in Hannover.

Fälschung. Eine bekannte Supermarktkette bringt zurzeit einen Nachbau des Originalkäse in Umlauf. Das ist Etikettenschwindel.

Zum Hintergrund:

Am 01.01.2023 tritt das neue Bürgergeld in Kraft. Es ersetzt das vorher so genannte Arbeitslosengeld II „Hartz-IV“.  Die Landesarmutskonferenz LAK Niedersachsen sieht in diesem „Reform“projekt der Koalition im Bund keinen substantiellen Fortschritt. Die LAK wird daher am 30.12.2022 mit der symbolischen Protestaktion „Neues Bürgergeld? Alter Har(t)zer Käse!“ vor den hannöverschen Jobcentern je eine Packung Har(t)zer Käse deponieren.

Das Bürgergeld wurde durch den Kompromiss im Bundesrat völlig verwässert. Bis auf ein paar kosmetische Korrekturen ist das neue Bürgergeld nichts weiter als alter Har(t)zer Käse. Als niedersächsische Spezialität ist Harzer Käse bekömmlich und gesund, als neues Bürgergeld in altem Hartz-IV-Gewand liegt es den Betroffenen schwer im Magen. Sie hatten zu Reformbeginn auf substantielle Verbesserungen ihrer Situation gehofft. Die traurige Wahrheit ist:

– Die Erhöhung der Transferleistung von 449 auf 502 Euro (10 Prozent) im Monat ist viel zu niedrig. Sie ist keine Verbesserung des Lebensstandards, sie deckt nicht annähernd die Inflation bei Lebensmitteln ab, dem Bereich, der für Bürgergeld-Bezieher*innen existentiell ist. Die Inflation bei Lebensmitteln betrug im zurückliegenden Jahr 21,1 Prozent.

– Es gibt keine Vertrauenszeit in den ersten sechs Monaten von Bürgergeld-Bezug. Ursprünglich war geplant, Menschen in dieser Zeit Vertrauen entgegenzubringen und auch bei Regel-verletzungen keine Sanktionen auszusprechen.

– Die geplante Karenzzeit von zwei Jahren, in denen die Kosten der Wohnung ohne weitere Prüfung übernommen werden, wurde auf ein Jahr abgesenkt.

Fazit:

Auf Grund der viel zu niedrigen Anpassung der Regelsätze sind die Betroffenen weiter mit Hunger bedroht. Das mangelnde Vertrauen verletzt ihre Würde und sie sind unter Umständen frühzeitig mit der Situation konfrontiert, ihre Wohnung zu verlieren.

Das neue Bürgergeld verhindert keine Armut, setzt Menschen existentiellem Stress aus und reduziert so ihre Chancen bei der Jobsuche und Integration. Stattdessen wurde teilweise versucht, Menschen, die unten sind wie Niedriglöhner*innen und prekär Beschäftige, gegen Menschen auszuspielen, die wie Bürgergeldbezieher*innen ganz unten sind.

Das ist perfide, fördert die Spaltung der Gesellschaft und sorgt für Demokratieverdrossenheit. Das stinkt zum Himmel, wie echter, guter Harzer Käse.“

Die Aktion „Neues Bürgergeld? Alter Har(t)zer Käse!“ gehört zu einer Kampagne der LAK, in der mit temporären öffentlichen Installationen gegen die wachsende Not in Krisenzeiten aufmerksam gemacht wird, siehe auch „Eisblock vor dem Landtag“ am Weltarmutstag oder „Campingzelt vor dem Finanzministerium“. Aus Sicht der Landesarmutskonferenz fällt der Jahresrückblick in Sachen Bekämpfung von Armut und wachsende Spaltung der Gesellschaft ernüchternd aus: Wo bleibt die Bazooka gegen Armut, der Doppelwumms für mehr soziale Gerechtigkeit? Die LAK fordert daher unter anderem:

– Sofortige Erhöhung der Bürgergeld-Regelsätze um 200 Euro im Monat. Nach Berechnungen des Paritätischen müsste das Bürgergeld auf mindestens 725 Euro angehoben werden, um wirksam vor Armut zu schützen.

– Sanktionsmoratorium für ein Jahr.

– Mobilitätsticket für 9 Euro, das sich auch Arme leisten können, um z. B. Arbeit suchen zu können.

Der ursprüngliche Claim für den Käse war „Bürgergeld: Neuer Wein in alten Schläuchen!“. Dafür sollten vor den Jobcentern die beliebten Weinschläuche deponiert werden, aus denen man das Zeug praktisch und leicht zapfen kann. Die Schlagzeile „Landesarmutskonferenz verantwortlich für Komasaufen vor Jobcentern“ wollte ich mir bei aller Konfliktbereitschaft denn doch nicht gönnen

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