02.01.2023 – Medientheoretische Exkursion über Käse, Memes und Scheißhaufen

Aktion Har(t)zer Käse vor Jobcentern, hier im NDR TV, ab 7.50. Es geht bei der Aktion darum, über ein Bild framing zu betreiben. Zentrale Botschaft: Das neue Bürgergeld reicht nicht, da muss mehr kommen. Dazu kann man ellenlange Expertisen und Analysen schreiben, Broschüren verfassen, Fachtage und Symposien veranstalten. Interessiert kein Schwein, respektive nur die, die eh schon an die zu vermittelnden Botschaft glauben. Wenn es nicht gelingt, medial überzeugende Bilder zu produzieren, die ein Narrativ bilden, ist alle Mühe vergebens, da können Sie genauso gut in der nächsten Kirche eine Kerze anzünden und für mehr soziale Gerechtigkeit beten.

Ein Idealfall: Es gelingt Ihnen, ein Meme zu produzieren, das viral geht und von da in die physische, analoge Welt einsickert.

 Mich erstaunt immer wieder, dass viele Akteure, die um mediale Aufmerksamkeit für ihre Kernbotschaften buhlen, kaum einen Begriff von diesen Wirkungszusammenhängen haben.

Ob aus dem Käse mal ein Meme wird, bleibt abzuwarten. Sowas kann man nicht bewusst designen, das entscheidet die Realität.

Mich hat „Gegenöffentlichkeit“, und dazu gehört das hier Beschriebene, als subversive und komplementäre Strategie zur bürgerlichen Öffentlichkeit seit ihrer Blüte in den Post68ern interessiert. Das Aufkommen des Internets war in dieser Richtung ein enormes Hoffnungspotential, hat sich aber als Rohrkrepierer entpuppt, ist überwiegend gigantischer Resonanzverstärker eines riesigen, braunen Scheißhaufens, durchtränkt mit Kommerz und Abartigkeiten, in den Köpfen des zugerichteten Mobs. So viel Unversöhnlichkeit muss sein.

Insofern sind solche Käse-Aktionen für mich auch erfrischende Exkursionen aus der Medientheorie in die Praxis, wenn ich selber Bestandteil der Produktion medialer Bilder bin. Ein starres Bild ist eine Sache, aber wie setzt man ein (potentielles) Meme in bewegte Bilder um? Es ist ja z. B. stinkend langweilig, den Käse  1 Minute 20 in Großaufnahme zu zeigen und das dann zuzutexten. Und so kommen die Ihnen bekannten Bilder zustande, wo die Bundestagsabgeordnete von rechts nach links aus dem TV-Bild läuft, Schnitt, Interview. Ströbele ist früher immer mit dem Rad ins Bild gefahren, das haben wir im NDR-Beitrag mal zitiert. Gerne zeigen Medien im TV auch andere Medien, wenn sonst nix passiert. Im obigen NDR-Fall die Spiegelung der Realität via Smartphone.

Mit der Produktion vermeintlich starker Bilder können Sie natürlich auch derbe auf den Pinsel fallen, um mal im Genre zu bleiben. Im Zeitalter sozialer Medien geht kaum eine Panne, Pleite, schräge, politisch unkorrekte Formulierung, ein aus dem Rahmen fallendes Bild verloren, wirkt lächerlich, kontraproduktiv, erzeugt Shitstorms. (Absolutes Desasterbeispiel das Instagram Video der Verteidigungsministerin zum neuen Jahr. Das Grauen.)

Es gibt Leute, die mögen Bungeejumping oder Big-Wave-Surfen. Wegen Adrenalin und Endorphin. Nicht meins. Ich mag Käse, Memes und Medien.

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