15.03.2023 – Wie mich neulich beinahe ein Hirnschlag traf

Werbeplakat vor Baumarkt.

Der Tag hatte schlecht begonnen: Regen und Kälte, draußen Krieg und Krisen, drinnen Frust und Frost, Beerdigungen, Krankheiten, das Leben schien eine Kette von Zumutungen. Und dann musste ich auch noch in einen Baumarkt, für mich der Vorhof zur Hölle. Lauter extrem hässliche Menschen, stiernackige Männer in Blaumännern und Millionen Gegenstände, deren Sinn und Zweck ich nicht verstehe und die alle nach einer Arbeit riechen, die ich hasse. Ich wollte auf den Parkplatz radeln, in der stillen Hoffnung, dass ein Meteoriteneinschlag meiner trüben Existenz ein jähes und mildes Ende setzen würde. Schlimmer könnte es nicht kommen.

Von wegen. Ich erblickte das Plakat oben. Und erstarrte. Für einen Moment dachte ich: Jetzt habe ich einen Hirnschlag erlitten.

Dieses Plakat ist genuine Ästhetik des Faschismus, eine Bildersprache unter anderem aus den Wahlplakaten der NSDAP in der Weimarer Republik. Hier der stählern-muskulöse, einsame Hammermann, der wuchtig dreinschlägt und Ordnung schafft

Das ist durchgehende faschistische Bildersprache, damals und Heute: der Hammer, oder die dreinschlagende Faust, der gestählte Muskelmann, meist allein, in Verbindung mit Ordnung, Arbeit, immer ernster, oft grimmiger Blick, nichts freundliches, lebendiges

Durch die Bilder scheint schon die Todessehnsucht, die nach Mord und Vernichtung, die in im Krieg und in den Lagern endete.

Das Werbeplakat oben unterstreicht diese Trostlosigkeit noch, es bildet noch nicht einmal die notorische, alberne Frau und nervende Gören im Hintergrund ab, die Papa wahlweise einen Eistee bringen oder vor Dankbarkeit und Familienglück umtanzen. Hier schlägt der einsame, coole Führer-Held zu, hier wird Ordnung geschaffen. Der Garten, eh schon trostloses, totes  Rasengrün, wird mit Hammerschlägen in eine steinerne Ordnung geprügelt, das Grün am Bildrand wirkt bedrohlich, und wird als nächstes zugerichtet.

Nichts hasst der Faschist mehr als das Lebendige, als die Unordnung, das Weiche, Fluide, alles zarte, freundliche, weibliche muss vernichtet, rausgeprügelt werden. Dass eine derartige Ästhetik als werbewirksam betrachtet wird, hat mich echt gegruselt. Es ist ja nicht so sehr das faschistische Gequatsche eines Höcke, einer AfD, was so gefährlich ist. Schlimm genug, das erreicht aber nur einen harten Kern. Was ich für mindestens genauso gefährlich halte, sind solche Bilder wie oben, wenn sie für eine ästhetische Tendenz stehen. Sie transportieren in der Summe als vermeintlich harmlose Werbung ein Männer- und damit Geschlechterbild in den Mainstream zum Fürchten.

Ich gehe davon aus, dass der Designer des Plakates die Nazi-Werbung kennt. Ästhetiken und Bildersprachen vergangener Epochen sind in jedem Lehrplan für Grafiker, Designer etc. oder gehören zum Kanon derer, die in diese Richtung arbeiten.

Zu behaupten, meine Laune wäre später, nach diesem Anblick, im Baumarkt im Keller gewesen, wäre die Untertreibung des Jahres. Für einen Moment meinte ich, die Gefühlswelten von Amokläufern kurz vor der Tat nachvollziehen zu können.

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