16.06.2023 – Kommt ein Einarmiger in einen Second-Hand-Laden

Kreuzberg, Oranienstr. Mehr SO 36 geht nicht. Ist die Welt nur noch so zu ertragen? Die Welt steht kurz vor dem Abgrund. Was wird der Fortschritt bringen? Einen Schritt voran? Uns ist jede Zukunftshoffnung abhandengekommen. Auch ich male bei aller individuell gelassenen Heiterkeit seit Jahren, auch in diesem Blog, die Welt in düsteren Farben, deren froheste Schattierung maximal ein helles Schwarz ist. Daher lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten und in die Geschichte zu blicken. Nicht so wie viele wohlsituierte Konservative oder unterkomplexe Feuilletonschmieranten, die den weniger Begüterten predigen, sie sollten nicht so jammern, früher wäre immer Elend gewesen. Ein Ernteausfall konnte Tod und Not bedeuten, Naturkatastrophen, wilde Tiere, absolute Herrscher, jede bakterielle Erkrankung, überall Endzeit.

Das ist interessengeleitetes dummes Geschwätz, das den Mob davon abhalten soll, ein kleines Stück vom fetten Kuchen der Prediger zu fordern. Als ob das Mittelalter unsere Mess-Latte wäre. Die sollte eher der Latte Macchiato sein, den sich jede mal gönnen sollte können.

Aber ein Blick zurück ins 20. Jahrhundert relativiert die Düsternis von Heute schon etwas. 1941/42 im zweiten Weltkrieg war fast ganz Europa unter faschistischer Herrschaft, Teile Afrikas und weite Teile Ostasiens und nichts schien den mörderischen Expansionsdrang der Faschisten stoppen zu können. Während wir über den Verlauf der Klimakatastrophe weitgehend nur spekulieren können, wir nicht wissen, ob weltweit wachsende Armut, Hunger, Flucht vielleicht mittelfristig doch eine Trendumkehr erfahren und Atomkrieg und Seuchen erstmal nur drohendes Menetekel sind, war 1941/42 für kritische Geister klar: Ein Sieg der Faschisten im Weltkrieg würde den sicheren Tod bedeuten für alles, was irgendwie anders, minoritär, abweichend vom Schema des Rassenwahns wäre. Die Welt würde in einem Meer von Blut ersaufen.

Natürlich kann mir darauf entgegengehalten werden, ich redete wie ein privilegierter weißer, alter Mann von einer Insel der Glückseligen, nämlich im westlichen Europa, und wie einer, der beim Fall von 19stöckigen Hochhaus im 18. angekommen ist und sagt: Ist doch bisher alles gut gegangen.

Weltweit ist jetzt schon für immer mehr Menschen die Lage so mittelalterlich katastrophal, dass sie selbst bei Todesgefahr des Ersaufens im Mittelmeer zu uns kommen. Wie weit ist es ethisch zulässig, da historisch relativierend zu argumentieren?

Stimmt schon, irgendwie. Aber wenn ich auf jede Frage sofort eine Antwort hätte, säße ich jetzt eher bei „Wer wird Millionär?“ als am morgendlichen Schreibtisch, mich mit dem Geschreibsel hier mal wieder vor Arbeit drückend. Apropos drückend, demnächst wird’s wieder heiß.

Der Witz im Header ist übrigens der letzte Zugang in meinem Witze-Verleih. Ein echter Brüller, etwas für Feinschmecker.

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