17.07.2023 – Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten.

Skulptur „Der Befreier“ von Jewgeni Wutschetitsch im sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park, Gedenkstätte und zugleich Soldatenfriedhof von 1949 in Berlin. Über 7000 der in der Schlacht um Berlin gefallenen Soldaten sind hier bestattet. Die zum Monument gehörende Skulptur ist mit Hügel und Sockel insgesamt 30 Meter hoch. Sechzehn weiße Sarkophage aus Kalkstein stehen entlang der äußeren Begrenzung dieses Feldes. Sie sind auf den beiden Längsseiten mit Reliefs aus der Geschichte des Großen Vaterländischen Kriegen der Sowjetvölker versehen

Sie tragen auf der dem zentralen Feld zugewandten Schmalseite Zitate von Stalin.

Die Ästhetik der Anlage ist gekennzeichnet durch Größe, Pathos, Naturalismus im Stil des sozialistischen Realismus, sie setzt auf Überwältigung und ähnelt darin strukturell dem Hollywood-Blockbuster. Anders als bei diesem stehen die ästhetischen Mittel dieser Anlage aber in einem Verhältnis zu ihrem Sinn und Ziel: Dem Gedenken der Gefallenen und der klaren Aussage: Nie wieder Faschismus.

Der Hollywood-Blockbuster kennt nur ein Ziel: Soviel Profit wie möglich, und eine Botschaft ist ihm nicht zu eigen. Ich gucke mir sowas nicht an, beim Zappen mal ein paar Minuten, dann langweilt das, es sei denn, es ist durch Witz und Selbstironie gezeichnet.

Natürlich würde man Denkmäler und Anlagen heute anders bauen, das Zeitalter von Denkmälern ist eigentlich vorbei. Aber eine ästhetische und damit politische Kritik an der Anlage verbietet sich grundsätzlich, kommt sie doch aus einem Zusammenhang, der unsere Vorstellung und damit Kritikfähigkeit übersteigt: Der von Deutschen entfesselte Zweite Weltkrieg, der allein in der Sowjetunion über 20 Millionen Menschen das Leben kostete, der singuläre Holocaust und die rassistische Barbarei der Deutschen in ganz Europa vor dem Hintergrund eines völkischen Chauvinismus.

Tatsächlich ist mir auch keine Diskussion bekannt, die eine Entfernung der Stalinschen Zitate fordert oder eine kommentierende Einordnung durch Tafeln etc., obwohl Stalin zu Recht allgemein als Tyrann und Menschheits-Verbrecher gilt und von Teilen der Wissenschaft mit Hitler gleichgesetzt wird. Zumindest von Anhängerinnen der Totalitarismus-Theorie, die Kommunismus und Faschismus gleichsetzen. Das ist aus mehreren Gründen unhaltbar: die Gleichsetzung ebnet die Singularität des Holocaust ein und sie verkennt die Ziel-Mittel-Relation dieser beiden Ideologien. Der Faschismus hatte – hat – kein Ziel außer Unterwerfung, Terror, Vernichtung und das fällt mit seinen Mitteln von Herrschaft zusammen. Auch Mittel des praktizierten Kommunismus waren terroristisch, barbarisch und man kann darüber streiten, ob die Anwendung seiner Mittel strukturell zumindest teilweise in seiner Ideologie verankert sind. Ich bin nicht dieser Ansicht, kann aber verstehen, wenn das so gesehen wird.

Nicht streiten aber kann man über die Tatsache, dass die Ziele des Kommunismus eine klassische Utopie waren, den Kern von Emanzipation in sich trugen: Die Befreiung des Menschen von Herrschaft, die Gleichheit Aller, egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts. Ziel übrigens auch das Absterben des Nationalstaates und damit des Nationalismus.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Aufzählung der „Völker der Sowjetunion“ inklusive Ukraine im obigen Zitat von Stalin interessant und sinnhaft. Die Russifizierung der Sowjetunion, auf die sich der Putinsche Imperialismus beruft, wenn er behauptet, die Ukraine habe als Nation gar kein Existenzrecht, weil es sie als solche nie gab, war kein einheitlicher Prozess.

Nicht umsonst haben sich Legionen der edelsten Geister in früheren Generationen an der Utopie Sozialismus als Übergang zum Kommunismus abgearbeitet, sich mit ihr identifiziert, sie weiterentwickelt. Mit der Dystopie Faschismus identifizieren sich nur Psychopathen.

Ein Indiz dafür, dass den Teilen der bürgerlichen Gesellschaft, die der Totalitarismus-Theorie anhängen, nicht ganz wohl bei ihrer Ideologie ist, ist die Tatsache der Existenz der Stalin-Zitate im öffentlichen Raum der Treptower Gedenkstätte: Ein unkommentiertes Zitat von Hitler im öffentlichen Raum ist nicht vorstellbar. Zitate von Stalin, siehe oben, so schwer erträglich diese historische Figur auch sein mag, sind es.

Mein Lieblings-Zitat aber der letzten Wochen: „Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten.“ Mathias Döpfner, Springer-Chef.  

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