
Brücke Nieschlagstr., Hannover

Bahntrasse unter der Brücke
Die Brücke ist seit vielen Jahren marode, mittlerweile derart vom Verfall bedroht, dass sie im Vorfeld von Umbauarbeiten gesperrt wurde. Auch die Bürgersteige sind mit Metallpfosten versehen, weil die Verantwortlichen völlig zu Recht davon ausgehen, dass asoziale Autofahrer einfach darüber brettern würden, trotz der Tatsache, dass sich an einem Ende eine Kita befindet. Die Infrastruktur im Lande ist seit Jahrzehnten derart kaputtgespart worden, in allen Bereichen von Schule über Verkehr bis Gesundheit, auf allen Ebenen vom Personal bis zu Gebäuden und Wegen, dass der Verfall anfängt, langsam lebensbedrohlich zu werden. Wer mal in Großkliniken wie einer MHH unterwegs war, dem kommen Kafkas Erzählungen von der Monstrosität der Moderne vergleichsweise vor wie idyllische Geschichten aus Bullerbü.
Am Geld hat es nicht gelegen. Die Steuereinnahmen haben sich in den letzten 15 Jahren fast verdoppelt. Wo ist das Geld geblieben, wenn es nicht investiert wurde? Die privaten Vermögen haben sich in den letzten 15 Jahren ebenfalls fast verdoppelt. Diese Vermögen konzentrieren sich in den Händen von Wenigen, mehr als 3000 Superreiche besitzen in Deutschland ein Fünftel des Privatvermögens.
Staat und Gesellschaft sind also in den letzten Jahren systematisch ausgeplündert worden zugunsten von Wenigen, zulasten der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung und zulasten der Infrastruktur. Wenn wir über Werte-Verfall, Verrohung der Gesellschaft, Faschisierung reden, dürfen wir vom Verfall der Infrastruktur, vom Raubzug der Wenigen zulasten der Vielen nicht schweigen. Dieses Reden wird nicht viel ändern, aber es ist eine Frage der intellektuellen und ethischen Redlichkeit, es nicht zu unterlassen.
Es ist angenehm, über die Brücke oben zu gehen, keine Autos, kein Lärm, keine Anspannung, wenigstens auf ein paar Metern. Paradiesische Zustände wie in Holland, wo man die Innenstädte der größeren Städte im Zweifel meist völlig stressfrei flanieren kann. Na ja, bis auf die Räder…. Der Blick auf die stillgelegte Bahntrasse, da fuhr früher eine alte Kohlebahn vom Hafen zum nahen Heinzkraftwerk, lässt mich immer stutzen. Ich habe da früher selber wilde Himbeeren, Brombeeren, Holunder gepflückt und immer waren Kinder da unterwegs, ideales Gelände für allerlei Spiele (Ein monströs zwielichtiger Satz, fällt mir beim Nachlesen auf. Ich lass ihn trotzdem so.) Das findet seit Jahren nicht mehr statt, die Bahntrasse ist fast undurchdringlich zugewuchert. Ich würde das nicht als Verfallssymptom sehen, nach der Zivilisationskritik-Leier weißer, alter Männer: Die gucken nur noch auf ihr Handy statt sich auch mal zu prügeln. Aber komisch ist das schon. Was machen die Kids so heutzutage? Ich zumindest hab keine Ahnung.
Ich halte mich an das, was ich weiß, an Fakten und Daten. Ein Datum lacht mich vom Kalender an: Der Tag der doitschen Einheit steht vor der Tür. Wolle mer ne roilasse? Wenn’s nach mir geht, Tür zu, Schlüssel abziehen und ins Meer. Dieser Tag erweckt das, was immer nur ungut wiederkehrt, nämlich Nationalitätsduselei, und verkleistert das, was Tatsache ist: Dass das Land immer tiefer gespalten ist, und zwar zwischen Arm und Reich. Dass es eine Einheit nicht geben kann mit denen, die die ohnehin schon Schwachen schamlos immer weiter ausplündern.
Und ja, es gibt auch eine nach wie vor existierende Spaltung zwischen Ost und West, an die so ein Feiertag erinnern könnte, aber das würde ich konsequenterweise eher Spaltung zwischen Anständigen und Unanständigen nennen. Und die gibt es auch in Nord und Süd.
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