
Eisblock auf Eisfläche – 1

Eisblock auf Eisfläche – 2
Ich habe in der Kältephase neulich 20 Liter Wasser zu einem Block gefroren und auf der Eisfläche meines Teichs deponiert. Je nach Temperatur sind beide in den letzten Tagen getaut und wieder gefroren, wobei die Unterfläche des Blocks Stück für Stück in die Oberfläche des Teichs einfriert. Ein Akt der Verschmelzung. Bei dem jetzigen Tauwetter mit Regen wird ihre gemeinsame Struktur von allen Seiten angegriffen und es ist absehbar, wann diese Installation verschwunden ist, sich ihre Moleküle ununterscheidbar mit denen des Teichwassers vermischen. Bei meiner morgendlichen Zen-Meditation im Garten inspiriert mich diese Installation zu einem freien Fluten über das Verschwinden und Verschmelzen, über den kosmischen Kreislauf des Vergehens und Entstehens. Im Verschwinden des Eises entsteht Neues, Wasser, der Ursprung von Leben. Der Kosmos ist in Dir, Du musst Dich ihm nur öffnen.
Wer es lieber handfest hat als meditativ: Die Meditation findet bei jedem Wetter im Paradies-Zustand statt, also nackt. Unter anderem aus diesem Grund besitze ich ein Immunsystem, das Atombombenfest ist. Corona ist für mich ein Fremdwort. Wobei zur vollen Wahrheit gehört, dass ich mich neulich zum nunmehr fünften Mal impfen ließ. In heutigen Zeiten kommt es mehr denn je darauf an, die Widerstandskräfte zu stärken.
Zurück zur Installation, zur Kunst. Den Prozess des Verschwindens dokumentiere ich täglich per Fotos, die ich in Abständen hier veröffentliche.
Durch den Akt des Veröffentlichens wird diese Installation zur Kunst, andernfalls wäre es privates Hobby, Handwerk, Meditation. Damit Kunst zu solcher wird, muss das Werk drei Phasen durchlaufen: Produktion, Distribution, Konsumtion, also das Werk muss hergestellt, produziert (im Atelier o. ä.), verteilt, veröffentlicht (Galerie, Internet, Eigenvertrieb ..) und rezipiert, genossen werden. Kunst ist Ware, wie alles im Kapitalismus. Aller Geniekult und esoterisches Connaisseur-Blabla um die Kunst ist nur Schein, Oberfläche. Selbst wer seine Kunst nicht verkaufen wollte, macht sie für Andere, sonst wäre es therapeutisches Volkshochschulhobby zur Dekoration der eigenen Trostlosigkeit.
Bis hier unterscheidet das Gesagte die Kunst nicht von einer Flasche Bier, einem Auto, einer App, Zeitung, was auch immer; alles ist Ware und sucht seinen Preis, materiell oder immateriell.
Was also macht die Kunst zur Kunst? Die Idee, das Konzept? Die handwerkliche Kompetenz? Ästhetischer Eigenwert und Design? Im vorliegenden Kunst-Eis Fall wäre die Idee, das Konzept sicherlich hinreichend, um es Kunst zu nennen. Hier im Link ist eine lange Liste von weltberühmten Konzeptkünstler*innen. Konzeptkunst ist die stilprägende Richtung der Postmoderne schlechthin.
Im letzten Grunde macht aber die Zuschreibung die Kunst zur Kunst, also wer schreibt dem jeweiligen Werk oder den Produzentinnen die Rolle, das Etikett „Kunst“ zu. Drei Möglichkeiten: Die Produzentinnen selber behaupten, ihr Werk sei Kunst. Die Konsument*innen, also der Markt, behaupten, ein Werk sei Kunst, ein Produzent Künstler. Oder die Medien behaupten das. Da wir im Zeitalter des Medienkapitalismus leben, scheint mir das das zentrale Kriterium zu sein. Das ist auch der einzige Grund, warum ich mich mitunter als Künstler bezeichne (normalerweise eher als Kulturproduzent): Weil die Medien mir das zuschreiben. Siehe hier:

Fahrgast-TV anlässlich eines lokalen Kunstevents. Ein erhabenes Gefühl, als wir nach dem Ende des Events mit den Öffis nach Hause fuhren und alle Fahrgäste wechselweise auf uns und die Bildschirme starrten.
Vom Erhabenen zum Lachen ist es nur ein Schritt, daher dies zu obigen Molekülen:
Das Bier, das ich demnächst zum Kühlen in den Teich tunke, nennt man in Berlin auf Grund der kühlen Moleküle kühle Molle.