
SCHUPPEN 68 Rosenmontagswagen. Klein aber fein, divers, alternativ und CO2-neutral. Auch dieses Jahr war die Narrenzunft „SCHUPPEN 68 Helau, Alaaf und leckt uns am Arsch e. V.“ wieder mit einem eigenen Wagen am Start des berühmten hannöverschen Rosenmontagsumzuges. Frohsinn ist unser Leben! Getreu diesem Motto waren wir natürlich alternativ und klimaneutral unterwegs. Die Kamellen waren wie üblich selbstgemacht, dieses Mal steckte in jeder Kamelle ca. 100 Mikrogramm LSD. Was sich daraufhin auf den Straßen abspielte, spottet jeder Beschreibung. Deshalb lasse ich die.
Karneval ist nicht meine Welt. Ich kann damit nichts anfangen. Aber auch Kirchen und Klöster sind z. B. nicht meine Welt, deshalb suche ich im Urlaub trotzdem welche auf, wenn es passt, und fühle mich dort mitunter wohl, verweile dort auch. Es ist eine andere Form von Kultur und wer für andere Formen, Kulturen nicht wenigstens ab und zu offen ist, der verdorrt langsam wie ein Olivenbaum ohne Wasser. Also war ich auch schon auf Karnevalssitzungen und hab mir sowas auch im TV angeguckt.
Dem Karneval eilt qua Geschichte der Ruf voraus, Obrigkeitskritisch zu sein, sich mit denen da oben anzulegen. Also Trittrichtung nach oben, wie sich das auch für Satire gehört, sonst ist sie keine, sondern Comedyquatsch. Alternative Formen von Karneval kenne ich nicht, nur die Amtlichen.
Und die sind aus meiner Sicht geschmackfreies Grauen, an Plattheit, Harmlosigkeit (Scholz mit Augenklappe auf Karnevalswagen, wie rebellisch!) und reaktionärem Stumpfsinn kaum zu überbieten. Das war vor Jahrzehnten so und ist heute noch genauso. Es muss nicht offener Rassismus sein, wie in Sachsen , der da marschiert. Fünf Minuten Köln am Rosenmontag im TV reichen. Der Karneval, so wie ich ihn kenne, tritt meist nach unten, gegen alles, was bunt, divers und Minderheit ist. Außerordentlich hässliche Männer in der Bütt, die nüchtern und bei Verstand niemand auch nur mit einer Kneifzange anfassen würde, machen misogyne Witze über hässliche Schwiegermütter, geschminkte Tussis und antiautoritäre Erziehung. Das war vor Jahrhunderten so. Und gestern genauso, im Kölner Karneval im TV.
Ein außerordentlich hässlicher Mann mimte einen Betrunkenen, was für ein origineller Brüller, und pöbelte gegen eine grellgeschminkte „Tussi“ an irgendeinem Büffet im Urlaub, wo er mit seinen Kumpels Manfred und Ernst abhing. Das klassische Reinheitsgebot frauenverachtender doitscher Männer: Ein doitsches Mädel hat blitzsauber zu sein und adrett, gefälligst ungeschminkt. Das darf sie dann höchstens im Bordell sein, das die volltrunkenen außerordentlich hässlichen Manfreds und Ernsts dann nach dem Büffet gerne aufsuchen. Danach kam noch irgendwas Witz- und Geistloses gegen ein Lehrerehepaar in Jack Wolfskin-Klamotten am Büffet, dessen Kind aus Milchreis einen Schneemann bauen durfte, weil es, Achtung Brüller: Antiautoritär erzogen wird. Tusch und Narhalla Marsch. Da weht aus der Unterhose des Betrunkenen der Geist der Fünfziger, von Fips Asmussen und seinen Widergängern wie Mario Barth, Dieter Nuhr. Mehr ertrug ich nicht und zappte weg.
Das alles wäre kaum der Rede wert, wäre es eine Nische, ein Sonderfall deutscher Kultur. Das ist es aber, so wie Kirchen und deren Ideologien, nicht. Das finden Millionen witzig, wird zur Prime Time im Öffentlich-Rechtlichen gesendet, das ist Teil ihres Alltags, ihrer Identität. Und jeder, der das kritisiert, versteht keinen Spaß. Und bei sowas versteht der doitsche Volksgenosse nun wirklich keinen Spaß. Vor dem Hintergrund dieser Dispositionen und Mentalitäten darf sich niemand wundern, wenn die AfD z. B. in manchen Plattenbaubezirken, sozialen Brennpunkten in Ostberlin über 50 Prozent erreicht hat.
Und das ist, keine Bange,
noch lange nicht das Ende dieser Fahnenstange.
Narhalla Marsch und kotz in den Eimer.