30.04.2024 – Impressionen aus Marzahn

Berlin Marzahn, Helene-Weigel-Platz

Nach gängiger Meinung ist das Marzahn.

Alt-Marzahn, Mühle.
Rathaus Marzahn

Die gängige Meinung ist fast immer höchstens die Hälfte der Sicht. Alt-Marzahn besteht neben der Mühle aus typischer DDR-Dorfstruktur, mit einem Dorfkrug, wo ich nach einer riesigen Kohlroulade mein vollgeplauztes Halbkoma nur mit energischer Hinzufügung diverser Körner aus dem Osten bekämpfen konnte, einem Tierhof, einem Kulturgut und dem Dorffrisör „Haarmonie“.

Von wegen Marzahn nur Asi-Platte…Die Hochhäuser dort waren in der DDR hochbegehrt, vor allem im Vergleich zum verfallenen Wohnbestand in Rest-Ostberlin. In Marzahn wohnte die Funktionselite der DDR. Hier holte die Linke seit 1990 regelmäßig Direktmandate bei der Bundestagswahl, mit bis zu 50 Prozent Stimmenanteil. Bei der letzten ging das Mandat an die CDU, die Linke ist nur noch viertstärkste Partei, noch hinter der AfD.

Auch in Marzahn ziehen die Mieten an. Ich unterhielt mich mit einem UrMarzahner, der zwischenzeitlich in Neukölln gewohnt hatte, es da aber nicht ausgehalten hatte. Zuviele Asis da. In seiner neuen Bleibe in Marzahn zahlt er mehr Miete als in Neukölln…

Das schlechte Image von Grosswohnsiedlungen wie Marzahn ist sowohl städtebaulich als auch ästhetisch naiv und arrogant. Erstens sollte man immer genauer hingucken und zweitens hätte es für die Versiegelung des Landes katastrophale Folgen , wenn alle Bewohnerinnen von Grosswohnsiedlungen in Einfamilienhäusern hausen würden. Das Einfamilienhaus, egal welcher Couleur, stellt eine Mischung aus ästhetischem Schwerverbrechen, ökologischer Katastrophe und psychozialem Abgrund dar.

Nicht die Grosswohnsiedlung ist asozial, sondern was die Gesellschaft aus ihr macht, ist es.