
Fußball EM, die Fans sind schon völlig aus dem Häuschen und können ihre Begeisterung kaum zügeln, wie dieser hier. Überall werden Freudengesänge angestimmt: Deutschland den Deutschen …. Unvorstellbar, wenn Deutschland Europameister werden würde. Erinnerungen an 1990 werden wach, der WM-Titel ….
Ab 1990 nahmen die Übergriffe auf nach Deutschland geflohene Menschen deutlich zu.
Nach dem Anschluss der DDR an die BRD und dem WM-Titel 1990 nahm der nationale Größenwahn bedrohliche Ausmaße ein. Leitmotiv: Deutschland, Deutschland, über alles.
2024, 30 Jahre später, klingt das Leitmotiv eher nach: Deutschland den Deutschen, Ausländer raus. Nicht mehr der nationalexpansive Größenwahn von 1990, der bei Nachbarstaaten ungute Erinnerungen an 33ff. und Eroberungs-Ängste hervorrief, ist die Grundlage für Herrenmenschengehabe, sondern die tiefe Krisenverunsicherung eines Kapitalismus im Übergang zur Barbarei ruft bei den Volksgenoss*innen eine hasserfüllte Sehnsucht nach einem ethnisch reinen und vermeintlich sozial gerechteren Deutschland hervor: Unsere Leute (also arisch reinblütige Kartoffeln) zuerst. Dann gibt es für uns mehr vom Kuchen ab. So die groteske Hoffnung des Mobs auf einen sozialeren Kapitalismus im Rahmen einer nationalen Endlösung aller Überfremdungsängste. Als ob die Kartoffeln in den sozialen Brennpunkten auch nur einen Cent mehr kriegen würden, wenn alle Ausländer raus wären.
Die Vorstellung eines schwarzrotgoldenen Fahnenmeeres nach einem BRD-Sieg bei der EM hat also etwas Bedrohliches, angefangen von einem Stimmungsschub für die AfD-Nazis bei den Wahlen in der Ostzone im September bis hin zu wachsenden Überfällen und Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, Synagogen, Ausländer, Juden, Diverse etc. pp.
Ich werde jedenfalls darauf hoffen und wetten, dass Deutschland in der Vorrunde rausfliegt. Wie schon bei der WM 2018 setze ich auf einen fetten Reibach bei einer Quote von 20:1, als die Ostgoten gegen Südkorea in der Nachspielzeit verloren und Letzter wurden. Ich weiß noch, wie ich sofort mit meinem Wettschein in das dubiose Wettbüro in Kreuzberg aufbrach und hoffte, unbehelligt mit den Scheinen ins süße Glücksgefühl des Gewinners eintauchen zu können. Was dann auch der Fall war. Ich halte Sie auf dem Laufenden.
Was also tun? Zum Beispiel bei der EU-Wahl nächsten Monat?

Gregor Gysi neulich in Hannover. (Mit dem Vorsitzenden der Linken, Martin Schirdewan.)
Gysi ist älter geworden, wer nicht, aber zum Schluss kam er noch in Fahrt. Schirdewan war mit Power dabei. Ich teile deren Positionen (ohne große Begeisterung) zumindest soweit, dass ich der Empfehlung meines Wahl-O-Mat-Ergebnisses zur EU-Wahl folgen und für die Linke stimmen werde. Eine leninistische Kaderpartei mit Führerinnen-Prinzip wie beim Bündnis Wagenknecht kommt für mich nicht in Frage. Ganz abgesehen davon, dass, wer links blinkt und rechte Ideologie im Kofferraum hat wie dieses Bündnis, in der Regel irgendwann endgültig rechts abbiegt.
Blick in den Rückspiegel: alle linken, antiimperialistischen Befreiungsbewegungen früherer Jahre von den Sandinistas über ANC bis PLO etc. sind in einem Sumpf aus Nationalismus, Korruption, Diktatur und Faschismus, siehe Hamas, versunken.
Noch weiter zurück und radikaler: Die NSDAP besaß einen großen sozialrevolutionären, antikapitalistischen Flügel. Dessen führende Mitglieder wurden in den parteiinternen NSDAP-Machtkämpfen und Mordaktionen 1934 alle ermordet.
What’s left: Wer wenigstens den Gedanken an eine emanzipatorischere, solidarische Gesellschaft nicht völlig auf dem Misthaufen der Geschichte verschwinden lassen will, sollte die Linke wählen. Es wird real nicht viel bewegen, aber ein kleines rotes Licht sollte am Flackern erhalten werden, damit spätere Jahrgänge das Feuer nicht wieder komplett von vorne erfinden müssen.
Ich muss jetzt los, ins Wettbüro….
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