
Magische Orte: Konzert in untergehender Abendsonne auf der Terrasse des „Haus der Kulturen der Welt“. Sehr tanzbarer Afrofunk aus Nigeria von einer Gruppe mit klaren politischen Statements namens Bantu. Eine Location für derartige Konzerte, bei der es sogar Crémant gibt, ist mir sonst nicht bekannt. Das warme Licht auf dieser genial-kühnen Dachkonstruktion, treibender Groove, buntes Publikum, vorher hatten wir uns noch in der Fanzone vergnügt, der Abend hatte fast alles, um Eingang in die Jahreschronik zu finden. Und trotzdem fehlte mir das letzte Quäntchen an Zugang, jener transzendentale Moment, der den Alltag von der anderen Welt unterscheidet, jener, in der Entgrenzung, Rausch, Ekstase stattfinden können.

Ich schaute von der Terrasse auf die Spree, an deren Ufer Leichtlebigkeit, Frivolität und Dekadenz zu herrschen schienen, und auf das Bundeskanzleramt, das für mich solange Kanzlerin-Amt heißen wird, bis Angela Merkel eine würdige Nachfolge gefunden hat. Was ich aber eher nicht mehr erleben werde. Vermutlich wird man sogar die derzeitige Wurst, die jetzt da residiert, nach der Bundestags-Wahl in einem Jahr vermissen. Was für Zustände, was für ein Land.
Eine Lösung für den mangelnden Zugang fand ich in dem Blick aber auch nicht und schon gar wollte ich mir die trotz allem überaus freundliche Stimmung nicht von Gedanken an die böse, böse Politik verderben lassen. Vielleicht lag es ja auch daran, dass es so leer auf der Terrasse wie nie war. Wieso eigentlich? Bei sowas kommt in mir immer eine Art Fin de Siècle Stimmung auf, Endzeit
Fin de Siècle beschreibt das Lebensgefühl und den Zustand der Kultur vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs, als die Menschen eine Ahnung davon bekamen, dass bald eine Epoche zu Ende gehen würde, unwiederbringlich, dramatisch, schmerzhaft.
Das Zeitalter war geprägt von Militarismus, Nationalismus und dramatischer Umwälzung sozialer Verhältnisse und von, Zitat: „
…. Zukunftsangst und Regression, … Lebensüberdruss, Weltschmerz, Faszination von Tod und Vergänglichkeit, Leichtlebigkeit, Frivolität und Dekadenz. Eine allgemeine Krise ergriff die maßgebenden Gesellschaftsschichten, weil Grundwerte des sozialen Lebens gefährdet schienen. Als Überreaktion der europäischen Führungsschichten auf die Krisenerscheinungen und in einer „großen Angst, die unter den Herrschenden umging“, vollzog sich eine kontinuierliche militärische Aufrüstung: „Die Militarisierung nahm eine jeden geschichtlichen Vergleich sprengende Dimension an.“
In diesem Interregnum wusste niemand, was sein würde, der Abgrund der Zivilisation ein paar Jahrzehnte später, der Holocaust, war noch jenseits der Vorstellungskraft.
Vielleicht können Sie, liebe Leserinnen, in dem Geschilderten etwas wiedererkennen, sei es, was den derzeitigen Zustand der Gesellschaft angeht oder Ihre eigene Befindlichkeit.
Ich für meinen Teil zündete mir auf der Terrasse etwas vom Home Grown, Jahrgang 2023, an. Geht doch, dachte ich im Aufkommen transzendentaler Befindlichkeiten, man muss sich nur Mühe geben.
Wer es gerne handfester hat: der Goldpreis , auf absolutem Rekordhoch, ist der Indikator für Krise schlechthin, der kennt in Krisenzeiten normalerweise nur eine Richtung – bergauf. Seit Jahresbeginn ist er um über 20 Prozent gestiegen, seit Corona-Beginn Ende 2019 um über 70 Prozent, seit der Jahrtausendwende, seitdem sich die Krisen die Türklinke in die Hand geben, um 750 Prozent