03.08.2024 – Ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.

Am 31.07.2024 hatte das Kaufhaus Lafayette in der Berliner Friedrichstr. seinen letzten Tag.

Jetzt schließen sogar schon die Luxuskaufhäuser in der City, das KaDeWe hat ebenfalls nicht erst seit der Benko Pleite Schlagseite. Eigentlich heißt es, Luxus ginge immer, aber selbst das gilt angesichts des Strukturwandels der Innenstädte nicht mehr. Die Innenstädte sind tot und es gibt kein derzeitiges Konzept, was sie wiederbeleben kann. In ein paar Jahren sind auch die letzten Kaufhöfe und Karstädter dicht und dann breitet sich ein Leichentuch über die Cities. Handelsüblich hilflose Vorschläge von den üblichen Verdächtigen aus der linksalternativen Öko-Ecke, die Kaufhäuser mit Kultur zu bespielen, sind naiv angesichts der Milliarden Spekulationssummen, die da im leeren Raume stehen. Da lassen Investoren die Gebäude lieber jahrelang leer stehen. Die seit Jahrzehnten bis auf die Knochen korrumpierten lokallkommunalen Betonmafiosi verhindern zuverlässig rechtlich möglich Eingriffe bis hin zu Enteignungen nach den Paragrafen 14 und 15 Grundgesetz. Möglich wäre ein Umbau zu Wohnungen, das wäre aber ein jahrzehntelanger Umstrukturierungsprozess, weil für menschenwürdiges Wohnen in den Cities erst die Infrastrukturen (wieder) geschaffen werden müssen, von Schulen über Pflegeeinrichtungen bis hin zu Spielplätzen, Parks, ÖPNV etc.
Das kostet Geld. Das wird aber für Kriege gebraucht. Und eine Schuldenbremse wird von der neoliberalen Finanzmafia um Lindner und demnächst Merz so zuverlässig verhindert wie eine Kindergrundsicherung, Klimaschutz, sozial gerechte Bildung und Gesundheit … Wie irrsinnig diese weltweit bis auf die ohnehin unappetitliche Schweiz fast einmalige Schuldenbremse ist, sieht man daran, dass Deutschland im Vergleich eine der niedrigsten Verschuldungsquoten weltweit hat, die seit Jahren in Relation zur Staatsquote insgesamt auf ähnlichem Level ist. Als ob die Verschuldung unser Probem wäre, im Vergleich zu Klimakrise, Inflat üionen, Seuchen, Armut, Migration etc…
Und ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode und ich finde es erschreckend, aber auch faszinierend, Zeuge der Konsequenzen dieses Wahnsinns zu sein. Ein Gefühl für die psychopolitischen Auswirkungen der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen von der Natur über die Kultur bis zu den Städten kann nur der wirklich und tiefgreifend erlangen, der sich jenseits der theoretischen Ebene, jenseits seiner individuellen Wohlfühlzonen, mit der Realität konfrontiert. Hautnah, mit allen Sinnen


Und so stand ich am 31.07 im Lafayette. Dem Spruch des Geheimrats folgend, den er real nie gemacht hat: „„Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ Kleiner mach ich’s nicht.
Ein Gefühlscocktail von Wehmut, Melancholie, Ärger, Trauer durchwob mich, schon gar angesichts der Tatsache, dass die kleine Bar, mit Restaurant, im Basement schon geschlossen hatte. Ab und zu hatte ich in einem Anfall von Luxus dort einen Crémant getrunken, in diesem eigentümlich-veralteten Ambiente von französischer Lebensart, savoir-vivre. Wenn es einen Ort von demokratischem Luxus gegeben hat, dann das Lafayette.

Wo auch die niederen Schichten mal durchflanieren konnten, an Versace, Dior und Chanel schnuppernd, und – wie ich – teilhaben am Ganzen mittels eines Gläschens. Wir kamen mit einer Frau, offensichtlich den gehobenen Ständen zugehörig, ins Gespräch. Für sie war das Ende des Lafayette ein Verlust an Kommunikation und Teilhabe, kam sie doch regelmäßig ein-, zweimal die Woche für Gläschen dorthin, zum Schwätzchen, und fluchte – dezent – nun auf das Internet, dass den Einzelhandel und überhaupt alles Stilvolle kaputt macht.

Es gibt tragischere Schicksale, draußen vor der Tür, Obdachlose auf Bänken, aber auch dieses gehört dazu, zum Verfall von bewährten kulturellen, sozialen Standards. Und es gehört zur Produktion einer Stimmung in der Gesellschaft, die definitiv nicht Demokratie erhaltend wirkt.
Ein paar Jacken und drei, vier Flaschen Rotwein standen noch zum Verkauf, für 50 Prozent. Zwei Haut-Brion und ein Mouton-Rothschild, je um die 1.300 als Altpreis. Ich äugte in mein Nordsee-Portemonnaie. Das würde nichts werden, mit mir und dem Rothschild. War mal wieder Ebbe.

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