
DDR-Bronzerelief am Berliner Marstall. Das hat die Säuberungsaktionen der Sieger nach dem Anschluss der DDR an die BRD gegen fast alles, was nach Marxismus riecht, überlebt. Anders als der Palast der Republik um die Ecke. Wegen Asbestalarm abgerissen. Wenn es danach ginge, müsste die halbe Republik abgerissen werden. Reine Siegerwillkür.
Dort steht jetzt das Humboldtforum, eine pseudohistorische Rekonstruktion, ein verkitschter Disneybau, der die Geschichte des 20. Jahrhunderts ausradiert und mit dem ganzen Preußen-Gerümpel der Umgebung völlig unkritisch den Ungeist früherer Jahrhunderte feiert. Der Bau wurde von Eliten-Nazis der BRD cofinaziert. Konsequent: Oben auf der Kuppel das christliche Kreuz und die Inschrift „Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“. Sakralkitsch pur, von 1844. Sowas begründete jenen damals aufkeimenden deutschen Imperialismus ideologisch, der dann im Grauen zweier Weltkriege und dem Holocaust endete. Im Namen Jesu wurden in früheren kolonialen, imperialistischen Eroberungskriegen Millionen unter die Erde gebracht. Die Inschrift ist eine konsequente Weiterführung der Sammlungen im Ethnologischen Museum im Humboldt Forum mit tausenden Raubstücken aus allen Erdteilen der Welt. An denen sich das Bürgertum aus aller Welt ergötzt und kulturell labt. Das Humboldtforum war 2023 das meistbesuchte Museum Deutschlands.
Es sind nicht nur die rechten Schläger in der Ostzone und die AfD Wählerinnen „drüben“, die ihrer Wut unter anderem über gestohlene Identitäten wie den Palast der Republik, die Entwertung ihrer Biografien und ihre Degradierung zu Niedriglöhner*innen der Republik freien Lauf lassen, die die Demokratie bedrohen. Es sind auch die Burberry gewandeten antidemokratischen Eliten aus dem Dunstkreis des Humboldtforums. Sollte sich morgen der märkische Sandboden auftun und diesen dreimal verfluchten Bau verschlingen, ich weinte ihm keine Träne nach.
Die Ehrlichkeit des Chronisten gebietet es zu erwähnen, dass ich unlängst dorthin retirierte zwecks Erholung im Liegestuhl auf Kunstrasen von der Brandenburger Tor-Fanmeile der EM.

Es war warm, die Palmen wiegten sich im Winde, der kühle Weißwein convenierte durchaus, für einen Moment konnte die Fassade für echt alt und schön gehalten werden und ich sah entspannt dem Prekariat aus aller Welt beim Aufbau der Bühne für das „Durchlüften“-Festival zu. Eine Band kam zum Soundcheck, alles Schwarze. Musik vom Sufi Dub, tansanischer Bongo Flava und Balochi Benjo Klänge aus Pakistan, Worldmusic beim Festival, wie sie das alternative, rotgrüne Herz der Metropole so liebt. Und was am schönsten ist: Das Ganze ist umsonst.
Zu erwähnen bleibt noch der Grund meiner Erschöpfung: ich hatte einem Gast zum Abschluss einer „Berlin in 6 Stunden-Tour“ die Prachtmeile „Unter den Linden“ gezeigt, mit der Humboldt-Uni, dem Deutschen Historischen Museum, der Staatsbibliothek, dem Reiterstandbild Friedrich des Großen, dem Pariser Platz mit dem Brandenburger Tor etc. pp. Beeindruckend.
Solche Tage sind für mich wie ein Mosaik, wo sich aus ganz vielen, bunten, unterschiedlichen Steinchen ein Bild der zeitgenössischen Republik zusammensetzt. Und so bunt das Bild auch sein mag, so düster wirkt es auf mich.