01.09.2024 – Erst stirbt die Kohle, dann der Stahl, danach die Autoindustrie und am Ende die Demokratie

Schützenfest Umzug, Hannover-Linden

Schützenfestzelt.

In der Kohleindustrie waren nach dem Krieg ca. 500.000 Menschen beschäftigt. Jetzt sind es noch ein paar tausend, die das Sterben dieser Branche abwickeln. In der Stahlindustrie waren nach der Annexion der Ostzone noch ca. 190.000 Beschäftige. Jetzt sind es noch 80.000. Nach der Abwicklung von Thyssen werden tausende weniger sein, bald nur noch die Hälfte. Stahl kann fast überall billiger produziert werden, aber aus sozial- und klimapolitischen Gründen wird die hiesige Konversion zum „grünen“ Stahl, der mit weniger Emissionen produziert wird, bis ca. 2045 mit über 40 Mrd. Euro subventioniert. Dahinter steckt auch der neue Trend, weg von der Globalisierung, hin zu nationaler Autarkie. Wer will schon gerne vom hinterhältigen Chinesen und vom bösen Russen abhängig sein.

Wenn wir davon ausgehen, dass demnächst eine Branche mit vielleicht noch 40.000 Beschäftigen mit ca. 40 Mrd. Euro subventioniert wird, ergibt sich pro Kopf eine Summe von 1 Million Euro. Ich habe im Kohlefall in den 90ern mal eine Zahl von 500.000 DM pro Kopf errechnet, die im Falle dieses staatlich subventionierten Strukturwandels anfiel.

Und damals die Forderung erhoben, jedem Kumpel die Kohle in die Hand zu drücken und den Laden, dessen Schließung eh klar war, sofort dicht zu machen. Das wäre eine enorme Wirtschaftsförderung gewesen, weil die eine Hälfte der Kumpels mit der Kohle irgendein Start-up gegründet hätte, und sei es eine Currywurstbude, und die andere Hälfte die Kohle in den einheimischen Wirtshäusern oder auf Malle verzecht hätten, weil sie mit der Freizeit nix anfangen können. Dadurch wären sie sozialverträglich an Leberzirrhose früh abgelebt und hätten den Rentenkassen Milliarden Mark an Zahlungen erspart. Der Rest der Kumpels hätte neue Arbeit gefunden, das Geld angelegt und so den Wirtschaftskreislauf angekurbelt. Siehe auch Stahlindustrie. Die ist tot, so oder so, ist nur die Frage, wie und wann.

Was sich im ersten Moment wie Satire liest, ist nichts weiter als angewandte Nationalökonomie.

Die beiden geschilderten Strukturumbrüche haben massive Auswirkungen auf die jeweiligen Regionen wie Ruhr und Saar gehabt, aber keine dramatischen gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen.

Im Fall der der Kohle und dem Stahl nachgelagerten Branche, der Autoindustrie, sieht das anders aus. Dort gibt es ca. 800.000 Beschäftigte. Noch. Die Zulieferer praktizieren bereits jetzt Massenentlassungen, siehe ZF . Wenn die deutschen Produzenten von VW über Mercedes bis BMW weiter den Anschluss an die Elektromobilität verlieren, und danach sieht es aus, gehen an den Standorten hierzulande peu a peu die Lichter aus. Dann stehen Hunderttausende Facharbeiter vor der Perspektive, von hochbezahlten Industriejobs in prekäre Dienstleistungsjobs wie Amazonfahrer zu wechseln. Was dann die streikerprobten Facharbeiter auf den Straßen der Republik anzetteln werden, wird französische Verhältnisse übertreffen. Jene Facharbeiter, die bereits jetzt überdurchschnittlich AfD wählen und in den Betrieben erste Nazi-Betriebsräte installiert haben.

Der Rohstoff, von dem wir dann reden, heißt nicht Stahl. Sondern Angst. Das ist der Rohstoff, der heute Abend ab 18 Uhr in den Wahlprognosen aus den TV-Geräten quillt. Verrohung der Individuen und ökonomische Krisen, auf diesem Misthaufen wächst und gedeiht Faschismus wie Pilze nach dem Sommerregen.

Schön dagegen die Momente zarter Alltagspoesie beim Ausmarsch der Schützen in Hannover-Linden am Wochenende, sowas zieht mich magisch an und entführt mich für Augenblicke in eine ganz andere Welt, voller Melancholie, Rührung, Sehnsucht, Freude. Hinterher traf ich an der Dartbude alle 6 Luftballons und war strahlender Gewinner eines kleinen Plüschteddy.  

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