05.09.2024 – Bin ich Jesus?

VW Käfer, Ausstellung „Iconic“, VW Group Forum, Berlin, Unter den Linden.

Absolute „Gute Laune“ Ausstellung, 70 Jahre Bundesrepublik, mit Design Ikonen, nicht nur Autos. Gute Laune wird mit VW zurzeit eher nicht in Verbindung gebracht. Die Beschäftigten sind gerade auf der Palme wegen angedrohter Werksschließungen. Demnächst sind sie auf der Straße. Erstmal zum Demonstrieren. Später dann als Arbeitslose, um mal diese schrecklich falsche und uralte Metapher von vor 100 Jahren zu nutzen, nach der Arbeitslose auf der Straße stehen. Gewerkschaftsbonzen sondern einen derartigen Sprachmüll immer noch ab, den ich dann immer in die Sprach-Abfalltonne entleeren darf. Arbeitslose stehen leider nicht auf der Straße, weder zum Demonstrieren, noch zum sozialen Kontakt, vielmehr versauern sie meist vor der Glotze. Was auch ein veraltetes Bild ist, die glotzen ja nicht mehr linear. Die zukünftigen Arbeitslosen von VW werden in ein Schlaraffenland entlassen, per Aufhebungsverträge, über Abfindungen, in Vorruhestandsregelungen. Unter Bedingungen, von denen das Prekariat noch nicht mal mehr träumen kann, weil man ihm jeden Traum, jede Utopie gründlich ausgetrieben hat. VW bietet zurzeit Abfindungen in Höhe von bis zu 450.000 Euro an, für Menschen, die sich schnell entscheiden, das sinkende Schiff zu verlassen. Für tarifliche Angestellte, also das Fußvolk. Jede Abteilungsleiterwurst, die AT bezahlt wird, kriegt entsprechend mehr.

Es wird also nicht wenige VWlerinnen geben, die nach Maßstab der DM, mit deren Aufstieg VW auf ewig ikonisch verbunden bleibt, als Millionäre das Arbeitsleben verlassen. Je nach Betriebszugehörigkeit natürlich und versteuert werden muss das auch, aber wen das als 57jährigen trifft, der ist erstmal aus dem Gröbsten raus. Was ihn nicht daran hindern wird, bei der nächsten Wahl AfD zu wählen, am Stammtisch – wenn es sowas überhaupt noch gibt, was Göttin verhüten möge – gegen Migranten zu hetzen und dass den Bürgergeldschmarotzern viel zu viel Kohle in den Arsch geschoben wird, wenn es nach ihm ginge, sollten die alle Steine klopfen oder Torf stechen. Wenn man sich als Linker auf etwas verlassen kann, dann darauf, dass man sich im Klassenkampf auf eins nicht verlassen kann: Den doitschen Facharbeiter. Ich weiß – wie immer – wovon ich rede: Ich war Betriebsrat, Vertrauensmann und jahrelang Delegierter der IG Metall, also jener Gang, die seit Jahrzehnten bei VW mafiöse Co-Management-Herrschaftsstrukturen aufgebaut hat und die jetzt, wo der Klassenkampf selbst bei VW anfängt, sein hässliches Gesicht zu zeigen, hilflos dasteht. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe früher mit der linken Betriebsratsopposition bei VW-Hannover zusammengearbeitet.

Ich glaube nicht, dass VW Werke schließen wird. Die paar Milliarden Einsparungen, die da im Raum stehen, lassen sich über Lohn- und unbezahlte Arbeitszeitverkürzungen locker reinholen. Es wird auch keinen direkten Aufruhr auf den Straßen geben. Dazu werden die individuellen Angebote an die paar 10 bis 20.000 Betroffene zu gut ausfallen. Der Rest wird commod in Auffanggesellschaften für ein, zwei Jahre geparkt, zu königlichen Bedingungen, was ihm jedes Rebellentum austreibt, geht in goldenen Vorruhestand oder findet woanders Arbeit, mit guter Kohle auf dem Ruhestandskonto.

So blöd ist das Kapital nicht, dass es sich seine Geschäfte längerfristig von Aufruhr stören lässt. Und der Staat wird da mitmachen, um Riots auf jeden Fall zu vermeiden, zumal vor der Bundestagswahl in einem Jahr. Die Riots der Zukunft, die auch bei uns irgendwann auf der Tagesordnung stehen werden wie in England und Frankreich, werden immer faschistisch grundiert sein und wesentlich besser organisiert und finanziert als früher, wo solche hilflos-ziellosen Aufbegehrungen ohne Struktur nach zwei, drei Tagen in sich zusammenfielen.

Insofern wird der aktuelle „Aufstand“ bei VW bald wie ein Sturm im Wasserglas in sich zusammenfallen. Aber die untergründigen Beben, die diese Zäsur der Drohung von Werksschließungen sogar im Kern des jahrzehntelang VW-befriedeten Klassenkampfes in der BRD nach sich zieht, werden ungeahnte Verwerfungen produzieren.

Kann aber auch ganz anders kommen. Bin ich Jesus, kenn ich die Zukunft?

Aber ein mulmiges Gefühl, rein vom feeling her, hab ich schon und deshalb gut, dass wir mal drüber geredet haben.

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