
Die Linke, im auflösenden Zustand der Selbstverzwergung. Im Streit um einen Antrag zu linkem Antisemitismus beim Berliner Linken-Parteitag verließen ca. 40 Delegierte aus Protest gegen eine Verwässerung der Kritik den Saal.
Der Verweis auf Menschen im Original-Antrag, die sich explizit als links verorten und antisemitisch artikulieren, sowie der Verweis auf die Aufrufe zur Vernichtung Israels sollte nach einem Änderungsantrag fehlen. In einer Passage, in der es um den Schutz des jüdischen Lebens in Berlin ging, sollte laut »Tagesspiegel« zudem der Zusatz »unter Einsatz rechtsstaatlicher Mittel« gestrichen werden. Das fand die Mehrheit der Delegierten. Daraufhin zogen die Antragsteller*innen ihren Original-Antrag zurück und verließen den Saal. Die einzig richtige Entscheidung. Wo Antisemitismus ist, können Linke nicht sein.
Der Berliner Parteitag spiegelt den dramatischen Verfall der Linken realistisch wider, die ihre Selbstverzwergung weiter aktiv vorantreibt. Und das in einer Zeit, wo eine radikale Linke, jenseits der immer reaktionärer auftretenden Grünen und SPD, notwendiger denn je wäre. Darüber hinaus dürfte der Berliner Parteitag das Zahlenverhältnis zwischen anständigen Linken und antisemitischen Pseudolinken realistisch widerspiegeln. Letztere sind die Mehreren.
Ich würde gerne über was anderes schreiben als Antisemitismus, das verfinstert mir zusehends das Gemüt. Aber leider lässt die böse, böse Realität das nicht zu. Darüber hinaus ist das Schreiben im Blog darüber für mich ein Akt der Katharsis und der Anblick des Gartenzwerges oben im Bild streut dem Geschehen jenen Hauch von Groteske bei, der die Zumutungen der Realität in einem Grinsen wenn schon nicht erstickt, so doch so deutlich mildert, dass einer sonnigen Herbstwoche gefasst ins Auge geschaut werden kann.
Ich hätte lieber über den 75. Geburtstag des DGB geschrieben und den Zustand der Gewerkschaften in einem chronischen Prozess der, siehe oben, Selbstverzwergung. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder hat sich in den letzten 30 Jahren fast halbiert. Mittlerweile kann man Gewerkschaften als Koloss auf tönernen Füßen bezeichnen. Ein paar kräftige gesellschaftliche Erschütterungen und die ganze Pseudoherrlichkeit kracht in sich zusammen. Beispiel Region Hannover: VW droht ebenso mit Standort-Schließungen wie der Autozulieferer ZF, bei mir umme Ecke, Hanomag Komatsu, 10 Minuten von umme Ecke entfernt, baut Hunderte Stellen ab, bei Krauss-Maffei Hannover, vormals Berstorff, ehemaliger Arbeitgeber, geht dem chinesischen Investor langsam die Geduld aus, da ist der ganze Standort bedroht. Ein paar Beispiele, wo tausende gut verdienende Facharbeiter*innen betroffen sein können.
Bei deren Protest auf der Straße möchte ich lieber nicht dabei sein, der wird völkisch Standortorientiert sein, die Wut wird sich auf Minderheiten richten, mit entsprechendem Wahlverhalten einer Klientel, die jetzt schon überdurchschnittlich AfD wählt. Wie die Gewerkschaften mit dem Rechts-Ruck und Druck ihrer Kernklientel umgehen werden, möchte ich mir lieber nicht ausmalen.
Was bleibt? Spontane Realitäts-Fluchtreflexe sind teuer. Direktflüge nach Korfu nur über Stuttgart und sündhaft teuer.
Oje. Also weiter schreiben und n bisschen Action.
1
555
555