
Grandioser Ort. Das kleine Grosz Museum in einer alten Tankstelle in Berlin-Schöneber

Während direkt vor der Tür die U-Bahn vorbeidonnert (in Berlin ist die U-Bahn schon mal als Hochbahn unterwegs, dafür fahren S-Bahnen dann unterirdisch) und der Verkehr der Bülowstraße saust und braust, ist hier eine Oase hinter einer Wand aus Bambus.
Die aktuelle Ausstellung ist womöglich noch grandioser als der Ort. Unter dem Titel „Was sind das für Zeiten? – Grosz, Brecht & Piscator“ widmet sie sich der künstlerischen Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen dem Künstler George Grosz, dem Dichter und Dramatiker Bertolt Brecht und dem Theatermacher Erwin Piscator. Ende 1927 inszeniert Piscator im Theater am Nollendorfplatz „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ von Jaroslav Hašek, den ein Autorenkollektiv unter zentraler Mitwirkung von Brecht für die Bühne bearbeitet. Grosz liefert Hunderte von Zeichnungen für das Stück. Die multimediale Inszenierung schreibt Theatergeschichte und wird zum großen Bühnenerfolg. Die begleitend zur Aufführung veröffentlichte Hintergrund-Mappe von Grosz führt zum längsten Kunstprozess der Weimarer Republik. Diese Ausstellung präsentiert epochale Werke, an denen Grosz, Brecht und Piscator gemeinsam arbeiteten. Ihre künstlerische Kollaboration mündete in zeitlosen Arbeiten, die die Gräueltaten des Faschismus aufdeckten, entschieden gegen Militarismus ankämpften und für die Meinungsfreiheit eintraten – Werke, die in Zeiten wie diesen nichts an Aktualität verloren haben. (Zitiert nach Ausstellungskatalog.)

Hitler in Hell. 1944. Öl. Grosz ist bekannt als Meister des Strichs, als Karikaturist. Aber auch in Öl und Aquarell ist er famos

Begräbnis 3. Klasse. 1930. Aquarell.
Auf den Schultern dieses Riesen stehen all die Karikaturisten-Nachfolgegenerationen, teils witzig, teils könnerhaft, mitunter kritisch. Aber die Brutalität, Expressivität, das unmittelbar ins Gemüt Greifende, die Präzision in der Aussage hat keiner von den zeitgenössischen Epigonen von Gernhardt über Wächter, Poth, Traxler, etc. pp. erreicht. Sie waren im Vergleich zu Grosz letztlich nur harmlose Spaßmacher und Clowns des Kulturbetriebs.
Grosz wurde in der BRD als Milieuzeichner, Genremaler zwar gewürdigt und geschätzt, aber eben auch kleiner gemacht als er war. Die unbedingte Parteilichkeit und der konsequente Antifaschismus seiner Arbeit wurden gerne mal unter jenen Teppich gekehrt, unter dem sich der Schmutz des zeitgenössischen Bürgertums stapelt. Der antibürgerlicher Kunstbegriff von Grosz gipfelte in der Anklage gegen den individualisierenden, vermeintlich unpolitischen Künstler, der im Geniewahn über allen Wassern zu schweben meint: „ … Arbeitet ihr etwa für das Proletariat, das der Träger der kommenden Kultur sein wird? […] Eure Pinsel und Federn, die Waffen sein sollten, sind leere Strohhalme.“ Das mit dem Proletariat würde ich heute, 100 Jahre später, anders formulieren. Aber sonst: Ein Satz wie ein Leberhaken.
Von gleichem Kaliber sind natürlich Brecht und Piscator und so vereint diese Ausstellung die Supergroup linker Kulturschaffender der Weimarer Republik und der Nachkriegszeit.
Aktuell wird ja die Weimarer Republik wieder in der Bürgerpresse gerne zitiert. Im Zusammenhang mit dem Aufstieg des zeitgenössischen Faschismus wird sie in düsteren Menetekel-Farben an die Wand der Republik gepinselt. Wenig Worte dagegen über den antifaschistischen Widerstand der damaligen Zeit. Da würde man dann schnell bei Militanz und Gewalt landen, auch bei der KPD. Und das kehrt die Bürgerpresse dann doch mehrheitlich lieber unter den schon bekannten Teppich. Das ist ihr zu „Igitt!“
Grosz war natürlich Mitglied der KPD.
Warnhinweis: Die Ausstellung endet am 25.11.2024. Dann schließt dieses Museum endgültig seine Pforten! Also nichts wie hin.