
2009, Kabarett bei der IG Metall, in der Bildungsstätte Pichelsee, herrlich gelegen direkt am gleichnamigen Pichelsee in Berlin. Der Name steht für ein Programm, picheln ohne Ende, wo es doch eigentlich heißen müsste: Lieber Hammern und Sicheln statt Jammern und Picheln. Keine Ahnung mehr, was ich da gemacht habe. Ich weiß nur noch, dass hinterher sich eine Kollegin bei mir bedankt hat, weil sie für zwei Stunden ihren zur Zeit stressigen Alltag vergessen hätte. Sowas bleibt in der Erinnerung.
Stress haben zurzeit auch jene IG-Metaller*innen, die bei VW arbeiten. VW hat einen eigenen Tarifvertrag mit der IG Metall, mehr als 90 Prozent der VWler*innen sind in der IG Metall organisiert, dort herrscht bundesweit einmalige Mitbestimmung und von den Gehältern dort können Prekäre wie Amazon-Auslieferer, die in VW-Transportern unterwegs sind, noch nicht mal träumen. So weit weg sind die von ihrer tristen Knochenmühlen-Realität. Den VW-Beschäftigten schlägt aktuell eine Welle von Neid, Missgunst und Häme, auch und gerade von Prekären, entgegen, weil es deren angeblichen Privilegien und Traumverdiensten jetzt an den Kragen gehen soll, auch zwecks Sicherung des Standortes Deutschland.
Häme ist hier unangebracht und dumm. Wenn die Gewerkschaften aus diesem Kampf als Verlierer hervorgehen, und dafür spricht einiges, wird das vielleicht ein paar Arbeitsplätze bei VW retten, aber gewerkschaftliche Gegenmacht noch weiter schwächen als ohnehin schon. VW hat mit einem hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad gezeigt, was Solidarität und kollektive Gegenmacht erreichen kann, mehr Mitbestimmung, höhere Löhne und größere Arbeitsplatzsicherheit. Wenn diese Gegenmacht an dieser Stelle, in diesem Arbeitskampf gebrochen wird, wird das auf anderen gesellschaftlichen Konfliktfeldern negative Konsequenzen haben. All diejenigen, die jetzt mit Häme reagieren, haben dadurch für sich nichts gewonnen außer negativen Gefühlen für ein paar Momente, die das ohnehin angegriffene Gemüt weiter vergiften, und werden dann verlieren, wenn es ihren Interessen an den Kragen geht. Warum soll das Kapital nicht an anderer Stelle den Knüppel rausholen, wenn es an dieser schon erfolgreich war…
Nicht dass mir der ordentlich bezahlte hiesige VW-Facharbeiter-Adel besonders sympathisch wäre. Was den auszeichnet: Wenig Solidarität mit ausländischen Standorten, noch weniger mit hiesigen Prekären, politische Impulse gehen von der IG Metall im Gegensatz zu früher überhaupt nicht mehr aus, das Führungspersonal ist ähnlich charismatisch wie ein Glas Wasser ohne Kohlensäure und der Mobanteil, also die, die jetzt schon da AfD wählen, wächst überdurchschnittlich. Aber man muss sie ja nicht lieben. Es reicht nüchtern, und sei es am Pichelsee, zu analysieren, was die Konsequenzen wären, wenn dieser Kampf verloren geht. Dass das weiteres braunes Wasser auf die Mühlen der AfD wäre, muss ich meinen Leser*innen, die zu den Klügsten der Republik, ach, was sag ich, des Universums, gehören, nicht weiter erklären. Wer im Lüneburger Raum Zeit und Lust hat, mich als Erklär-Bär zu erleben, kann zum Grünfutter-Frühstück der dortigen Grünen kommen, am 2.11., ab 10 Uhr, Details hier
Ohne Mampf kein Kampf. Alte Gewerkschaftsweisheit. Wobei es bei Betriebsratssitzungen früher immer Feuerwehrmarmelade gab. Meint: Mett. Mt Zwiebeln. Und Bier. Ob’s das beim Grünfutter gibt?
Ich hab da so meine Zweifel…