Bei meiner morgendlichen Zen-Meditation im Garten fiel gegen Ende des Jahres mein Blick auf diese Hortensie. Nur noch ein Hauch Farbe hielt sich tapfer gegen den allwinterlichen Würgegriff des Graubraun, würde aber bald gänzlich verschwunden sein. Assoziationen schossen durch meinen Kopf: Gleicht die Hortensie nicht dem verblassenden Jahr, das kraftlos in den letzten Zügen atmet? Ist sie nicht wie unsere Gesellschaft, in der das Bunte, Fröhliche zusehends vom Grauen des Braunen zerdrückt wird? Und ist Schwester Hortensie nicht so wie ich, der den großen Teil seiner irdischen Existenz hinter sich hat? Mir kamen die Tränen.
Das ist natürlich Blödsinn. Wem beim Anblick einer jährlich vergammelnden Hortensie die Tränen kommen, sollte sich einen Termin bei einem Psycho-Quacksalber geben lassen. Und selbst wenn mir die Tränen gekommen wären, würde ich das bestimmt nicht hier mit Kitsch breittreten. Das ist ein Blog und kein Stuhlkreis. Wahr sind an diesem Intro für die Sensibleren unter den Leserinnen aber die Assoziationen zur Gesellschaft, die ich bei dem Anblick hatte. Man verliert mittlerweile den Überblick über die Terroranschläge, Magdeburg, New Orleans, Las Vegas, Rotterdam , nach dem Motto: Unseren täglichen Terror gib uns Heute.
Wobei da die Grenzen zwischen politischem Terror und individuellem Amok schwer zu ziehen sind. Rasende Wut, so der Ursprung des Begriffs Amok spielt da offensichtlich immer eine Rolle. Interessant der Hinweis auf den gesellschaftlichen Ursprung des Amoklaufs, Zitat: „ … Etwa zeitgleich zum Amok als militärische Strategie traten im malaiisch-indonesischen Kulturkreis auch individuelle Amokläufe auf. Zum Beispiel versuchten sich zahlungsunfähige Schuldner ihrer unweigerlich drohenden Versklavung dadurch zu entziehen, dass sie so lange töteten, bis sie selbst getötet wurden. Dies war auch eine Form des sozialen Protestes, denn die Drohung eines Amoklaufes bei grober Ungerechtigkeit hielt Machtmissbrauch von Herrschern und Reichen in gewissen Schranken.“
Ich finde sowieso den Hinweis bei den sich häufenden faschistischen (dazu zähle ich auch islamistische) Terroranschlägen auf eine mögliche psychische Erkrankung des Täters irreführend, liegt hier doch aus meiner Sicht immer eine grundsätzliche psychische Störung vor. Die Absicht, wahllos Tod und Vernichtung aus einem (rassistischen) Überlegenheitswahn heraus zu verbreiten, ist eine schwere Störung, eine vollkommen kranke psychische Disposition, egal ob hinterher noch krankhafter Narzissmus, Paranoia oder Schizophrenie diagnostiziert wird. Damit soll der Terror, der Faschismus natürlich nicht psychologisiert und individualisiert werden. Im Gegenteil, die individuelle psychische Disposition hat gesellschaftliche Ursprünge, Motive. Der alltägliche Terror ist eine individuelle Antwort auf den täglichen strukturellen Terror.
Eine Übersicht der Terroranschläge in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg spricht für sich Bis 1968 war Ruhe im Karton, Nachwirkung des nationalsozialistischen Terrors, der Verdrängung in den Aufbaujahren. Dann kam der gezielte Terror der RAF gegen Exponenten der Macht, Anfang der Neunziger der der Neonazis als Folge der Annexion der Ostzone, dazwischen immer wieder Abnahme der Fallzahlen. Ab 2014 „explodieren“ die Fallzahlen, mit der Chronifizierung der Krisen im Kapitalismus. Dass 2025 eine Besserung zu erwarten ist, kann nur der glauben, der unsere Form von Macht und Ökonomie für die Beste aller Welten hält. Also alle Wählerinnen einer GroKo von CDU/CSU/SPD/GRÜNE/FDP etc. ppp. Selbst diese GroKo dürfte allerdings unter Berücksichtigung der Nichtwählenden mittlerweile nicht mehr die Majorität im Lande haben….Was angesichts des anschwellenden Terrors in der Gesellschaft und in den Köpfen nur als bedrohlich betrachtet werden kann.
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