Gibt’s hier nicht. Dafür welche aus dem Arbeitsleben des vorigen Jahrtausend. Der Mensch fotografiert gerne; seltener, aber auch häufig, wird er gerne fotografiert: Im Urlaub, in der Freizeit, beim Wohnen, beim Sex, bei Feiern und, selten, aber es kommt vor, auf der Arbeit. Dann fast ausschließlich im Kolleginnenkreis à la „Hier unsere Buchhaltung bei Uschis 25jährigem Jubiläum“. Extrem selten gibt es aus der Vor-Smartphone-Zeit Fotos, die authentisch über die Arbeitsplätze der Menschen, hier im besonderen von Angestellten, Auskunft geben: wie bringen sie einen großen Teil ihrer Lebenszeit zu, wie sitzen sie da, welche individuelle Aura hat ihr Platz, und auf welchem Stand der Technik ist die Produktivkraft, also die Produktionsmittel, die Technologien, die sie nutzen und die natürlich nicht ihre sind, sondern demjenigen gehören, der sich ihre Arbeitskraft aneignet?

Mein Arbeitsplatz bei einer Maschinenbauanstalt, Ende des vorigen Jahrtausends. Was sehen wir? Einen vermutlich 13-Zoll PC-Monitor, bei dem die Röhren größer sind als der gesamte Bildschirm. Eine werkinterne Mitteilung – auf Papier (es geht um Merkblätter der Arbeitsgemeinschaft Druckbehälter des TÜV Nord). Einen Jahrzehnte alten Heizkörper. Papier-Ordner. Einen Gartenzwerg mit einer Gewerkschaftsfahne. Eine rote Nelke vom 1. Mai. Einen SCHUPPEN 68 Baustein. Was sagt uns das Abgebildete? Hm. Also mir vorrangig, dass es kein Wunder ist, dass ich es da nicht bis zum Abteilungsleiter gebracht habe.

Triumph Schreibmaschine. Unter einer Plane, aber immerhin griffbereit am Arbeitsplatz.
Artefakte aus einer prähistorischen Zeit. Einer Zeit, in der bei Betriebsfeiern noch Alkohol getrunken wurde. Ich wachte mitunter verkatert am Morgen danach auf und wusste nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen war. Heute findet so was überhaupt nicht mehr statt und wenn, dann nippt frau kurz am Smoothie, und dann wird wieder geackert. Hätte man damals mal ein Drogenscreening bei mir gemacht, hätten die ihre Messinstrumente neu kalibrieren müssen. Tempi passati.
Der von mir eingangs geschilderte offensichtliche Mangel an Bildern der Arbeitswelt sagt viel über die Funktion von Arbeit aus. Aber auch über die Arbeitenden.
Was mich fuggelig macht, ist die Tatsache, dass ich auf der werkinternen Mitteilung nicht erkennen kann, welchen Satz ich mir da rot gemarkert habe. Das kommt davon, wenn einem alte Papierbilder in die Hände fallen. Heute Nacht träume ich bestimmt wirr von Gartenzwergen, die in Druckbehältern wohnen, und Drogen konsumieren.
16.12.2015 – Sexfotos
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