Ich bin arbeitsmäßig oft unterwegs, aber viel läuft auch per Home-Office. Für Leute, die von neurotischen Vorgesetzten gemobbt werden, ätzende Kolleginnen haben oder renitente Mitarbeiterinnen, mag das ja eine paradiesische Vorstellung sein. Hat ja auch was, im Sommer, wenn die Sonne „Freiheit, Freiheit“ ruft, zwischendurch einfach mal zwei Stunden an den Kiesteich zum abhängen zu radln oder bei dem trüben Wetter mal eben Mittagsschläfchen einzulegen. Wo geht das schon im Erwerbsarbeitsleben?
Wer aber jemals von der Naturgewalt der Prokrastination überrollt wurde, weiß die Segnungen einer Stempeluhr und eines Vorgesetzten, der mit vorgehaltenem Abmahnungsschreiben auf Arbeits-Erledigung drängt, zu schätzen.
Neulich saß ich an einem wichtigen Antrag auf Fördermittel für ein Projekt. Der Antrag hatte schon Schimmel angesetzt, die Kostenkalkulation trieb mir, der noch nicht mal Gleichungen mit keiner Unbekannten lösen kann, Bluttränen in die Augen. Da fiel mir plötzlich ein, dass ich unbedingt und sofort mein Rosmarin-Körperöl neu ansetzen müsste. An meinen alabasterfarbenen Luxuskörper lasse ich nur erstklassige Ingredienzien. Der Rosmarin ist natürlich Öko aus dem eigenen Garten und das Oliven-Öl (entzündungshemmend) sündhaft teure kalte, native Pressung. Rosmarin wirkt noch entzündungshemmender als Olivenöl und lässt mich mitunter wie einen juvenilen Mittfünfziger durch die Strassen tänzeln, völlig Arthritis- und Rheumabefreit.

Rosmarinsuchbild.
Ich schnitt also sofort Rosmarin, der ist winterhart, bereitete Gefäße zum Ansetzen vor, nahm das Öl zum Aufgießen, das Telefon klingelte, ich erschrak mich zu Tode, war das etwa das zuständige Fördermittel-Ministerium, dass den Antrag anmahnen wollte, das Öl entglitt mir und ergoss sich auf den Tisch. An und für sich kein Drama – sieht man davon ab, das auf dem Tisch sämtliche Unterlagen für den Antrag lagen.
Nachdem mich der Notarzt wiederbelebt hatte, war mein erster Gedanke:
„Lieber Gott, mach, dass ich wieder mit lauter Arschlöchern in einem normalen Büro sitze, gepeinigt von sadistischen Vorgesetzten und erdrückt von Monsterbergen von Terminarbeit. Und vorne am Eingang lacht mich höhnisch ein Zeiterfassungsgerät an.“
Ich war in meinem Angestelltenleben die Krone der Dreistigkeit, aber Rosmarin-Körperöl am Arbeitsplatz ansetzen, das hätte selbst ich nicht gewagt.
Zum Essig aus der Überschrift kommen wir in Teil 2 der Serie „Home-Office – Fluch ohne Segen“. Ich muss am Wochenende den Antrag fertig kriegen, kann’s mir zeitlich überhaupt nicht leisten, hier rumzufaseln.
Das Telefon klingelt auch gerade …..
23.01.2016 – Home-Office, Essig und Öl.
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