Wie gruselig es um die Dokumentationssituation der Jahre um 1968 herum bestellt ist, zeigt unter anderem die Googlesuche nach diesem Klassikerspruch in der Überschrift. Die Quelle dafür ist nicht mehr ergründen.
Was Bildquellen angeht, ist der Bau der Pyramiden besser dokumentiert als diese Zeit. Vom Gründungskongress des SCHUPPEN 68 beispielsweise in der Szenekneipe Maulwurf 1968 gibt es keinerlei Bilddokumente.

Wenige Fotos nur dokumentieren die beginnende Bürgerbeteiligung bei der Stadtteilsanierung in Linden, dem Stadtteil von Hannover, in dem ich wohne.
Mitte der Siebziger war die Bürgerbeteiligung im politischen Mainstream angekommen. Einer ihrer Ursprünge liegt Ende der Sechziger in den Aktivitäten von sozialistischen Basis- und Projektgruppen.

Dokumentiert ist das in „Info – hannoversches Centralorgan der sozialistischen Basis- und Projektgruppen, Jg. 1, Nr. 5, o. J. (1969)“ . Liest sich heute wie Satire, ist aber eine historische Lektüre aus einer Zeit, in der partikulare Anliegen noch wie selbstverständlich eingebettet waren in einen grundsätzlichen und allgemeinen politischen Interessenkonflikt. Damals hieß das: Klassenkampf.

(Alle Rechte bei Hans ***M)
An diese faszinierenden Bilder bin ich im Nachklapp zu einer feuchtfröhlichen Sylvesterfeier gelangt, bei der sich herausstellte, dass einer meiner Gesprächspartner im Besitz von Bildern aus den damaligen Zeit ist. Sie sind hier dokumentiert. Ich finde diese Bilder anrührend und kämpferisch zugleich. Anrührend, weil es individuelle Artefakte aus einer verlorenen Zeit sind („Weißt du noch? Damals, Schuhgeschäft Salamander auf der Limmerstr.?!“), und kämpferisch, weil sie ihren engagierten Impuls nicht hinter dem Abbild von individuellen Emotionen und Zwischenmenschlichem verbergen. Insofern stehen sie mehr in der Tradition des lokalen Bildchronisten Walter Ballhause als des vielzitierten Wilhelm Hauschild , bei dem die nette Heile-Welt Fassade überwog, allerdings brillant ins Bild gesetzt.

(Alle Rechte bei Hans ***M)
Ich hoffe, dass die Bilder bei einer Ausstellung über die Stadtteilsanierung oder über 50 Jahre ’68 in Hannover eine angemessene Würdigung erfahren.

(Alle Rechte bei Hans ***M)
Mir geht ja mittlerweile das selbstbeweihräuchernde Gewese um diesen „kunterbunten“ Stadtteil hier auf die Nerven, wie toll doch alles und alle sind. Hier darf um Gotteswillen noch nicht mal eine Mülltonne verrückt werden und schon krähen alle: Verrat! Gentrifizierung! Und wenn jemand mal auf die Strasse kotzt, wird von der Sauberkeits- und Ordnungsfraktion gleich der Untergang des schicken Konsumlindens herbeideliriert.
Ich empfinde es inzwischen als üble Nachrede, wenn der SCHUPPEN 68 als „Lindener Alternativprojekt“ bezeichnet wird. Mein Horizont hört nicht nur nicht an der Stadtteilmauer auf, vielmehr beginnt er da erst.

(Alle Rechte bei Hans ***M)
Aber solche Geschichten wie die hier geschilderte konnten in Hannover wohl nur hier in Linden stattfinden. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass Geschichte sich vielleicht doch wiederholt. Und diesmal weder als Tragödie noch als Farce.
Wer hat das mit der Tragödie und der Farce noch mal gesagt?
22.02.2016 – Alle Macht den Archivaren, sonst wird die Nachwelt nichts erfahren! Vorwärts zum ersten Karteitag!
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