
Grenzübergang Helmstedt-Marienborn, dieser Begriff hat für Angehörige meiner Generation einen magischen Klang. Er stand wie wenige für teilweise Parzellierung Großdeutschlands.
Den magischen Klang hatte Helmstedt-Marienborn aber nicht nur wegen der Teilung Deutschlands, sondern vor allem, weil es von da nach Berlin ging. Berlin, Fluchtpunkt der Kriegsdienstverweigerer und Ort eines irgendwie alternativen Lebens. Wenn man im Auto sich Helmstedt-Marienborn näherte, ging der Puls in die Höhe. Vor allem erst mal wegen der Grenzkontrollen.
Mich zog es damals noch nicht so nach Berlin wie heute, hab eher Klimmzüge an der hiesigen Stadtmauer gemacht.
Natürlich war ich auch kategorisch dagegen, dass Berlin Hauptstadt werden sollte. Drohendes Fanal eines neuen Großdeutschlands, dass den zweiten Weltkrieg in der Verlängerung doch noch gewinnt, an der Grenze nach Osteuropa – das war die Argumentation von aufrechten Linken damals. Die Linke ist jetzt eher erodiert und krumm und bei den durchgeknallten Potentaten und kryptofaschistischen Strukturen östlich der Elbe muss man mittlerweile beinahe dankbar sein, dass die BRD zumindest ab und zu mal zaghaft an die Einhaltung von minimalen Menschenrechten erinnert. Hauptsächlich deshalb, um den Gang der Geschäfte aufrecht zu halten. Was aber im Ergebnis erst mal egal ist. Jedem Sinti oder Roma, der in der Slowakei oder in Ungarn bei Pogromen nicht vertrieben oder totgeschlagen wird, ist es gleich, dass die Ursache dafür nicht Empathie ist, sondern Druck einer Regierung, die sich Sorgen ums Geschäft macht. Was die EU braucht, ist Rechtssicherheit und ein gutes Image.
Ich schwanke noch zwischen zwei Forderungen: Her mit dem alten Eisernen Vorhang. Oder im Rahmen eines robusten Mandats Einmarsch der französischen Fremdenlegion in Pogromregionen.

Berlin, Frankfurter Tor mit Lavendel. Mit Blitz fotografiert. Unnatürlich Kontrastscharf.
Und das Berlin Hauptstadt ist, finde ich mittlerweile gar nicht mehr gruselig. Fast alle wichtigen Organisationen, mit denen ich zu tun habe, haben ihren Hauptsitz in Berlin und alle wichtigen Veranstaltungen finden da statt. Wenn ich z. B. nicht am Armutskongress teilnehmen würde, machte ich mich einer Dienstverfehlung schuldig. Ich muss dahin.
Gibt schlimmeres. Und die ästhetische Bildung soll heute auch nicht zu kurz kommen. Sie ist die Grundlage einer aufgeklärten politischen Haltung, den wachen Blick, auf das, was ist und wie es sich ständig wandelt. Lektion für heute „Magische Bildmomente erfassen“:.

Kontrastschärfe – natürlich, siehe auch Bild Frankfurter Tor oben. Irgendein Sommertag. Mittagspause auf der Veranda. Für einen Moment zeichnete das Sonnenlicht eine gleißende Kontrastschärfe auf alle Gegenstände. Die Konturen stachen wie vom Rasiermesser gezogen hervor. Alles schien klar. Aber nur für einen Moment.
Muss jetzt aufhören, da ruft was.
Vermutlich Berlin.
21.06.2016 – Magisches
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