14.07.2016 – Der stahlharte Erlenmeyer-Kolben

charite
Keiner will da rein, aber jeder ist froh, dass es sie gibt: Krankenhäuser.
Mich umwehte ein Gefühl von Ehrfurcht, als ich unlängst die Hallen der ehrwürdigen Charité betrat. Freiwillig und mit dem Drang nach Erkenntnis ausgestattet und Gottseidank weder von Milzbrand, Tuberkulose oder Cholera befallen. Deren Todesfeldzug durch die Reihen der Menschheit stoppte Robert Koch, indem er überhaupt erst mal ihre Erreger entdeckte. Bei der Suche nach einem Mittel gegen Tuberkulose unterlief ihm ein folgenschwerer Fehler, der jede Menge Kranken in die Kiste verhalf: Sein Wundermittel Tuberkulin tötete Bakterien nicht nur nicht ab, sondern aktivierte diejenigen, die im Wirtskörper eher noch vor sich hindösten. Das Tuberkulin hatte er unter anderem an seiner siebzehnjährigen Geliebten (er war 30 Jahre älter) getestet. Sie berichtete in ihren Erinnerungen, dass sie nach den Worten Kochs „möglicherweise recht krank“ werden könne, „sterben würde ich voraussichtlich nicht.“ Den Reibach mit dem vermeintlichen Wundermittel wollte er privat machen. Koch, ein Arsch wie er im Buche steht.
Aber wie misst man überragende Wissenschaftler? Karl Marx war ja auch kein Engel. Bei Fritz Haber ist die Grenze sicher überschritten. Der war federführend und aktiv an der erstmaligen Entwicklung der Giftgaskriegsführung im ersten Weltkrieg beteiligt. Und was ist mit Oppenheimer?
Eine schöne Volte hat die Tuberkulin Geschichte doch noch. Den Nachweis über die komplett kontraproduktive Wirkung führte Rudolf Virchow, Teilnehmer der 1848er Revolution, Vertreter einer sozial orientierten Medizin (Zitat: „Die Medizin ist eine soziale Wissenschaft, und die Politik ist nichts weiter als Medizin im Großen.“) und engagierter Kämpfer gegen den aufkommenden Antisemitismus im wilhelminischen Deutschland. Endlich siegt mal einer von den Guten.
Das wär’ doch mal Stoff für einen Film, mit den Beiden als Protagonisten, ein Film, der seriös auch naturwissenschaftliche Zusammenhänge der breiten Masse näher bringt. Ich sehe schon die erste Einstellung vor meinem inneren Kamera-Auge: Dämonisch von unten ausgeleuchtet nähert sich sabbernd der geile alte Koch-Bock seiner in weiß gekleideten und seufzend die Hände ringenden Geliebten, die in Wirklichkeit den gleichaltrigen Gärtner (Lady Chatterly läßt grüßen!) des Hauses liebt, sich aber aus wirtschaftlicher Not dem Lustgreis hingibt. Ich mach mich gleich ans Exposé. Wenn das nicht mein Durchbruch wird, dann weiß ich es auch nicht. Arbeitstitel des Films:
Der stahlharte Erlenmeyer-Kolben.

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