12.08.2016 – Ein Künstler, der nicht reist, ist wie ein einbeiniger Fußballer.

War auch schon lange vor Goethe bekannt, der mit seinem Eckermann den Italienern auf die Nerven ging. Da gibt es natürlich Unterschiede. Wenn ich im Winter an der Algarve auf einer Klippe in der Morgensonne liege und mir der Duft von wildem Thymian und Salbei um die Nase weht, hinterlässt das andere Impressionen als ein Ritt durch Berlin. Was auch immer, im hiesigen Regenverseuchten Pseudosommermikrokosmos wird man die Wirklichkeit mit Klimmzügen an der heimischen Stadtmauer eher nicht durchdringen.
Berlin, Ausstellung im öffentlichen Raum, zu Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus: Die Wölfe sind zurück, am Hauptbahnhof. Zitat aus der Homepage:
„66 aus Metall gegossene Wölfe wirken bedrohlich und werfen Fragen auf: Was passiert, wenn die Formen der Ordnung und des Zusammenhalts zerbrechen und Fremdenfeindlichkeit sich wie ein Virus ausbreitet?“
wölfe berlin
Beim ersten Anblick, mir war die Ausstellung unbekannt, war ich überwältigt. Nach Abschreiten der Ausstellung und Lektüre der Infotafeln kamen mir Fragen. Mein Gepäck in Sachen Kunsttheorie kann ich schlecht ablegen: Wie geht man heute mit Tendenzkunst um? Was ist mit der Autonomie von Kunst? Kann man heute überhaupt noch mit Tiersymbolik arbeiten, das ist doch schon im 19. Jahrhundert obsolet gewesen?
Ich bin aber vorrangig Praktiker, kein Theoretiker. Entscheidend ist auf dem Platz (Sepp Herberger). Die Zeiten haben sich geändert. Die Kunst muss sich rückwärts nach vorne entwickeln, von der Postmoderne hin zur politischen Avantgarde, radikal, parteiisch und autonom. Das heißt, sie muss in den öffentlichen Raum eingreifen und anregen, zur Diskussion, zum Widerspruch, zur Aktion. All das erfüllt die Ausstellung „Die Wölfe sind zurück“. Man kann ihr einiges entgegenhalten, in den Feuilletons wird sie vermutlich, das check ich, wenn ich mal Zeit habe, eventuell unter „gut gemeint“ ein bisschen runtergeputzt, von irgendwelchen Tintenklecksern, die von der Praxis, davon, dass die braune Kacke überall am Dampfen ist, keine Ahnung haben.
in den krallen der wölfe
Mich hat die Ausstellung animiert. Sie wird gut angenommen und wirkt. Ich werde versuchen, sie nach Hannover zu holen. Reisen bildet. Und erspart Arbeit: So eine soziale Plastik wie diese im öffentlichen Raum zu organisieren, das wäre eine Heidenarbeit. Muss nicht sein. Da fahr ich lieber wieder nach Berlin …

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