23.08.2016 – Mir fällt gerade keine Überschrift für diesen Blogeintrag ein.

Was eine hervorragende Überschrift ist. Locus amoenus, lieblicher Ort, so nannte ein wohlmeinender und humanistisch gebildeter Gast einmal meinen Garten. Nun denn. Ein wirklicher locus amoenus sind die alten Gärten des Ober- und Untergutes in Lenthe, wo zur Zeit die Ausstellung „Neue Kunst in alten Gärten“ präsentiert wird. Jahrhunderte alte Süntelbuchen, knorrige Rieseneiche, vollendet geformte Gartenlandschaften zeugen davon, dass der Adel doch zumindest eine nützliche Funktion hatte: Die Bewahrung von Orten, an denen sich die Seele auf leichten Schwingen erhaben über die Imponderabilien eines durch Erwerbsarbeit geschändeten Alltags erheben kann. Unter Zuhilfenahme von exquisiten Weinen und leckersten Schmeckerein, die allfällig bei solchen Vernissage gereicht werden, wo sich dann wirklich die Creme der bürgerliche Hautevolee trifft. Und ich mittenmang. Ein zauberhafter Tag, führwahr.
neue kunst in alten gärten
Die Kunst ist eher inferior, Gedöns und biedere Handwerksarbeit. Aber wen kümmert schon die Kunst bei Vernissagen. Man schritt fürbass und plauderte aufs angenehmste. Es war so angenehm, dass mir erst am nächsten Tag der Gedanke kam, dass diese Veranstaltung, zu einem Bild geronnen, praktisch den ideellen Gesamtklassenkampf von oben repräsentierte. Aber durchaus liberal, im positiven Sinne.
Das Ärgerliche an dieser Angelegenheit ist natürlich nicht die Tatsache, dass es solche Orte und Veranstaltungen gibt. Das Ärgerliche daran ist, dass unsere Gesellschaft genug Ressourcen hat, solche Veranstaltungen für alle zu ermöglichen, und vor allem, und das ist das Allerwichtigste: Dass unsere Gesellschaft genug Ressourcen hat, alle Menschen so zu bilden, dass sie solche Orte und Veranstaltungen auch genießen können. Das wäre wahrer Humanismus: Aus der Hülle des Klassenkämpfers erhebt sich der Connaisseur.
Whow. Auf solche Formulierungen muss man erst mal kommen, und ohne Drogen. Manchmal bin ich schon ein bisschen stolz auf mich. Und dankbar, dass ich auch ein bisschen humanistische Bildung genossen habe.
Andererseits, und da schlägt die nächste historische Stufe nach dem Feudalismus, der Kapitalismus, wieder beinhart durch: Wer zahlt mir da was für? Seufz. Also ran an die Arbeit.

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