01.11.2016 – Schwuler Killer

Kriegerdenkmäler faszinieren mich. Wo drei Häuser in Deutschland auf einem Haufen versammelt sind, weit entfernt davon, Dorf genannt zu werden, steht in der Mitte zwischen ihnen unter Garantie ein Kriegerdenkmal, dass den „Helden“ zwei Weltkriege gedenkt. Kein Laden, keine Bank, keine Kneipe, von Erinnerungen an die ermordeten Juden des besagten Ortes ganz zu schweigen, aber riesige, monströse Scheußlichkeiten, mit denen an Soldaten erinnert wird, die oft an monströsen Kriegsverbrechen beteiligt waren. Diese Denkmäler sind die Nachkriegs-Fortsetzung des Faschismus mit anderen Mitteln. Das ist faschistische Ästhetik, die das Leben verachtet und den Tod herbeisehnt. Mich fröstelt es selbst im Hochsommer noch, wenn ich bei Radtouren hierzulande anhalte und das fotografiere.
schwuler killer 1
In südlichen Ländern gibt es auch Kriegerdenkmäler (Hier: Pollensa, Mallorca), allerdings mit einer völlig anderen Ästhetik. In Italien sind die oft aus weißem Marmor und derartig grotesk operettenhaft überspitzt, dass es einfach nur lächerlich ist. Dieses spanische Beispiel fand ich jetzt sehr androgyn, um nicht zu sagen: tuntig. Beim Fotografieren von vorne (Freudsche Vermeidung?) kam mir ein Verdacht, das schrie doch förmlich nach … ich umrundete das Denkmal und richtig:
schwuler killer 2
Graffiti Kommentar, ambivalenter Zeichengehalt.
Was habe ich noch aus dem Süden mitgebracht? Eine monströse Erkältung, bei der ich froh bin, dass ich kaum noch Solo-Auftritte als Kabarettist mache. Ich erinnere mich an eine Erkältung zwei Tage vor einem Auftritt, ich war jung (gelogen), brauchte das Geld (wahr) und bin Preuße (wahr): eine Absage kam nicht in Frage. Was hab ich für einen Aufwand betrieben, um meine Stimme für anderthalb Stunden funktionsfähig zu halten: Gigantische Mengen Milch mit Honig (ich hasse Milch), mit ätherischen Ölen gegurgelt und inhaliert, bis meine Schweißtropfen schon ölig wurden und nasse Handtücher auf die Heizkörper …
Ich weiß nicht mehr, wie der Auftritt lief, aber solche Arien sind einer der diversen Gründe, warum ich mir so was nur noch im Ausnahmefall antue. Wozu auch? Damit auf meinem Grabstein mal steht, wie die taz mir mal hinterher warf: „Hier ruht der Nischen-Mario Barth. Gott schenke ihm im Jenseits den Erfolg, den er auf Erden nicht hatte“? Nee, dann lieber mit anderen bei Podiumsdiskussionen, wie hier zu öffentlich geförderter Beschäftigung bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moormerland-Jheringsfehn. Da müssen alle zutiefst dankbar sein, dass ich trotz schwerer Krankheit diese Strapaze auf mich genommen habe.
Wenn man als fiebergepeitschter Solokabarettist über die Bühne torkelt und röchelt und Wahnvorstellungen absondert, wollen die Leute eventuell noch Eintrittsgeld zurück. Gruselige Vorstellung.
Charmante Restwoche, liebe Leserinnen, und vielleicht sehen wir uns in Moormerland-Jheringsfehn.

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