03.12.2016 – „HALT! DICH! EINFACH! AN! DIE! REGELN!“

Manchmal werde ich zur Wildsau. Respektive zum Keiler.
keiler7

Gestern kam mir auf dem Radweg in der Dunkelheit eine Geisterradlerin entgegen, das Licht blendete mich komplett, ich klingelte, rief, sie hielt Zentimeter vor mir an und:
„Ich hab doch meinen Arm rausgehalten, dass ich hier abbiegen will.“

Ich war fast sprachlos, aber nicht wehrlos, ob soviel Dreistigkeit:
„Ach, und das berechtigt uns (!), auf der falschen Seite zu bleiben, wohl wissend, dass das Gegenüber nichts sehen kann!?“
Ich wählte zugegebenermaßen das Forte, wäre ich nämlich auf die andere Seite in die Gegenfahrbahn ausgewichen, wäre ich dort in korrekt fahrende Radler reingerauscht. Ich war also erregt, aber nicht auf die angenehme Art. Sie, in diesem grauenhaft katzenfreundlichen Selbsthilfe-Betroffenheitssingsang:
„Du, ich find das nicht in Ordnung, dass Du jetzt so laut wirst.“
Hass quoll in mir auf. Ein innerer Film lief in Millisekunden ab, ich sah sie in ihrer Selbsthilfegruppe, im Stuhlkreis sitzend, um sie herum jede Menge verständnisvolle, nickende, strickende Männer, die nur eins im Sinn hatten: Wie konnten sie dieser Frau an den Pullover gehen? O-Ton aus meinem Film:
„Also dieser Typ war so was von verbal gewaltförmig-patriarchal drauf, der hat mir total Angst gemacht. Wo ich doch seit meiner Trennung von Wulf-Bernhard total allergisch gegen Verbalgewalt bin.“ Und alle nickenden, strickenden, möchte-gern-fickenden Männer unisono im Chor:
„Ich verstehe. Wie fühlst Du Dich jetzt? Möchtest Du in den Arm?“
Resultat des Films: ich, jetzt wirklich sehr laut ins Fortissimo wechselnd:
„HALT! DICH! EINFACH! AN! DIE! REGELN!“
Nun geschah es aber, dass alle Katzenfreundlichkeit von ihr abfiel und sie keifte und zeterte wie ein Waschweib, wobei ich noch nie ein Waschweib real keifen und zetern gehört habe. Ich würde sagen, wir waren weit jenseits des Stadiums der Argumente, an uns wurde das „Oi dialogoi“ von Plato zuschanden.
Sie lief bei mir als altem Straßentheaterfuchs natürlich gegen einen Sherman Panzer. Regel Nr. 6 beim Straßentheater (und in der Politik):
„Nicht auf Dein Gegenüber eingehen. Bei Deiner Methode bleiben!“
Ich also weiter, Allegro und Presto:
„HALT! DICH! EINFACH! AN! DIE! REGELN!“
Nun hatte ich den kriegsentscheidenden strategischen Vorteil: Für mich was das Ganze eine Performance geworden. Ich genoss es. Schamlos.
Ich werde nachher wieder an die Stelle radln. Wahrscheinlich steht sie immer noch da und keift.
Bin ich ein schlechter Mensch? Sagen wir mal so: Ein Heiliger wird aus mir nicht mehr.
Aber ich habe oft auch in stressigen Situationen jede Menge Spaß.
Allen Leserinnen ein charmantes Wochenende.

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