Kostenlos guten Wein verklappen, Fingerfood schaufeln, gediegene Atmosphäre, nach der Feier mit einem Shuttle nach Hause kutschiert werden und das Gefühl, wichtig zu sein. Das alles und noch viel mehr gibt es auf Neujahrsempfängen.

Wie dem von Radio ffn, einem jener Privatsender, bei denen für mich das Zuhören unter akustisches Waterboarding fällt. Fröhliche Morgenmänner foltern einem die Gehörgänge dergestalt, dass hier der Tatbestand der Verletzung der Haager Landkriegsordnung von 1899 vorliegt. Trotzdem, respektive deshalb, als Wiedergutmachung, nahm ich die Einladung an. Schließlich gehöre ich damit amtlich zu den 450 Promis hierzulande – was meine Ehrfurcht vor mir selber ins unermesslich steigerte. Ich siezte mich in den Folgetagen.

ffn Morgenmänner mit Bademeister und Badenixe. Wenn das Jahr so anfängt, ist die Hölle nicht weit. Extrem hoher Lästerfaktor für mich! Besonders „freute“ ich mich auf den Auftritt von Dietmar Wischeimer, einem jener normalerweise unangenehmen Brachial- und Fäkalkomiker, die sich in der Maske des Underdogs genau über jene lustig machen. Also dieses eklig-deutsche von Oben nach Unten treten.
Leider enttäuschte Wischmeyer mich komplett, er lieferte eine präzise, kenntnisreiche, bitterböse und saukomische Entlarvung des Geschäftsmodells Privatfunk, bei dem alle Seiten ihr Fett abkriegten, von den Anteilseigern über die Politik bis hin zu den Hörern. Das einzig Nervende daran: alle lachten, von den Promi-Hörern über die Politik bis hin zu den Anteilseignern.
Mir fiel Herbert Marcuses Begriff von der repressiven Toleranz wieder ein, alles wird akzeptiert, alles ist gleich lustig. Die gegenwärtig herrschende Toleranz akzeptiert alles: Chauvinismus, Rassismus, Diskriminierung, sowie die Kritik daran und die Satire darüber, nach dem Motto: Siehe, wie tolerant wir sind.
Nachtrag: es gibt bei ffn, wie in anderen Privatsendern, gute und kritische Leute. Da wird z. B. kurz und präzise über die Vorstellung des Bundestagskandidaten der Linken, Christoph Butterwegge, in Hannover berichtet. Gab es woanders kaum was drüber zu hören.
Die Landesarmutskonferenz begrüßte das aufs Schärfste. Hörst Du hier
Das Leben ist eine einzige paradoxe Intervention, ergo: Viva ffn!
20.01.2017 – Die repressive Toleranz von 450 Prominenten
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